Im Verlauf der Zeit haben wir uns beim Zweirat schon öfters mit der Wegeheld-App beschäftigt. Damit kann man sehr einfach störende Falschparker*innen melden, dazu braucht es nur wenigen Klicks auf dem Smartphone. Die App selbst vermerkt diese dann auf ihrer eigenen Karte, wodurch die Falschparker-Schwerpunkte gut visualisiert sind. Darüber hinaus hat man die Möglichkeit, eine standardisierte Nachricht an das Ordnungsamt der jeweiligen Stadt zu schicken.
Das ganze Thema Falschparken und wie verschiedene Städte damit umgehen, wurde nun in einer „Hintergrund“-Sendung beim DLF aufgegriffen und am 21. August um 18:40 ausgestrahlt. Es gibt eine schriftliche Aufzeichnung davon auf der DLF-Seite, zusätzlich ist der Beitrag dort auch direkt beim Startbild zum Nachhören verlinkt.
Während in Stuttgart das Ordnungsamt diese Meldungen lieber nicht haben will und zusätzliche Hürden vor die Bearbeitung einbaut, hört man von anderen Städten, dass sie recht froh um diese Unterstützung sind. In dem Beitrag wird das fast genau gleichgroße Düsseldorf als Positivbeispiel genannt, Stuttgart hingegen meint, dass es alleine die hoheitliche Aufgabe hat, sich um Falschparker*innen zu kümmern und dabei keine Hilfe benötigt; 800.000 Strafzettel im Jahr 2017 (die Zahl steigt jährlich) oder der Hashtag #stuttgartparktfair auf Twitter sprechen jedoch eine ganz andere Sprache.
Die Bürgermeisterin von Tübingen kommt auch zu Wort, jedoch nennt sie das so typische, sowohl Falschparker-schützende als auch falsche Argument, dass ein Auto erst drei Minuten stehen muss, bevor es ordnungswidrig parkt. Die Straßenverkehrsordnung nennt im §12 Parken allerdings eindeutig, dass „Wer sein Fahrzeug verlässt […] der parkt.“ Das ist auch sinnvoll, denn wenn man so einem behindernden Auto ausweichen muss, dauert es nicht drei Minuten, bis an einer solchen Stelle evtl. etwas passieren könnte – es kann nur eine Sekunde sein, die über einen Unfall entscheidet. Im schlimmsten Fall über Leben und Tod eines*r Radfahrer*in, z.B. weil die anrollende Person durch das falschparkende Auto nicht gesehen werden konnte. Ein solch falschparkendes Auto auf dem Gehweg kann für Rollstuhlfahrer*innen zur Sackgasse werden und auch Fußgänger*innen, evtl. mit Kinderwagen, werden dadurch behindert.
Ob parkende Autos einen abgelaufenen Parkschein haben oder durch ungeschicktes Parken gleich zwei Parkplätze auf einmal belegen, hat von uns noch niemand moniert. Wir werden uns aber weiterhin dafür einsetzen, dass die Regelungen der StVO dort eingehalten werden, wo es eine Behinderung und/oder eine Gefahr für die schwächeren Verkehrsteilnehmer ist: wo auf Radwegen und Radstreifen geparkt wird, wo in Kreuzungsbereichen die Sichtachsen zugestellt werden, dass wir als Radfahrende kaum noch gesehen werden können und wo Fußgänger*innen nur noch mit Problemen von der einen auf die andere Straßenseite gelangen können, wo Autos (auch) tagelang auf Gehwegen und in Brandschutzzonen stehen, usw. Und wir hoffen dabei, dass sowohl die Polizei Stuttgart als auch das Ordnungsamt der Stadt Stuttgart bald unsere Ansicht teilt und dann auch mal endlich aktiver wird, anstatt immer nur jedes zweite Jahr eine weitere, nutzlose Kampagne zu starten.
Bei den Diskussionen in Stuttgart zur Aufteilung des Verkehrsraums kommt meist früher als später das Argument, dass man den Radverkehr bloß nicht bevorzugen dürfe. Selbst diese Ansicht ist mehr als fraglich, wird aber so meist kommentarlos hingenommen. Viele Städte versuchen schon seit Jahren dem Radverkehr (und nebenbei auch dem Fußverkehr) seinen Platz zu geben und schränken dafür den MIV (motorisierten Individualverkehr) ein. Das funktioniert nach ersten Widerständen immer sehr gut. Auf diese Erfahrungen will die Stadt Stuttgart jedoch nicht bauen, sie zementiert weiterhin den Status Quo: einen durchwegs stark bevorzugten MIV – bei jeder sich bietenden Gelegenheit!
Hier nur mal zwei Beispiele: Im Westen gibt es die Rötestraße. Dort wird dem Fußverkehr deutlich gemacht, dass er für die Stadt einfach nichts bedeutet und sich (wie so viel anderes) den parkenden Autos unterzuordnen hat. Während die meisten der dort parkenden Autos auf der Straße stehen, hat die Stadt zwei Parkplätze zur Hälfte auf den Gehweg eingezeichnet. Das oft gehörte Argument „Parkdruck“ greift hier nicht, da die Parkplätze auch problemlos auf der Straße sein könnten. Außerdem ist es in einer Stadt, wo die Zulassungszahlen für übergroße SUVs ständig stark steigen, hinfällig. An dieser Stelle sowieso, weil an der nächsten Kreuzung, etwa 100m weiter, ein Parkhaus mit freien Stellplätzen ist.
offizielle Gehwegparkplätze im Stuttgarter Westen zum Nachteil des Fußverkehrs
Ein anderes Beispiel, diesmal für (bzw. gegen) den Radverkehr, am Neckartor. Wenn man aus dem Park kommt, steht man an dieser Bettelampel und die Führung geht nach links. Dort kommt man jedoch im Gegenverkehr der dreispurigen Neckarstraße an und muss sich auf der kleinen Insel (beim grünen Blitz) aufstellen. Mit zwei Lastenrädern oder fünf bis sechs normalen Rädern ist diese Insel voll. Dann müssen sich die Radfahrer*innen in den Gegenverkehr oder auf die Straße stellen. Und das in einer Stadt die nach offiziellen Aussagen einen deutlich steigenden Radverkehrsanteil will und dies hier eine Abzweigung von der sogenannten Hauptradroute 1 ist. Auf dieser Insel gibt es keine Bettelampel, sie gibt einfach so nur bei jedem zweiten Umlauf dem Radverkehr grün, damit er endlich auf die nächste Insel rollen kann. Bei den zwei gelben Blitzen ist dann ein Bettelknopf, mit dem man hier grün anfordern muss.
Ampelführung am Neckartor mit deutlichem Nachteil für den Radverkehr
Drei Ampeln und mehrere Ampelumläufe später hat man dann diese Kreuzung überquert, die jede*r Autofahrer*in problemlos mit einer Ampel und langen Grünphasen auf drei Spuren in jeder Richtung passiert.
Würde man in der Stadtverwaltung den Radfahrer*innen nicht immer das Gefühl geben müssen, dass sie Verkehrsteilnehmer dritter Klasse sind, könnte man das natürlich besser machen: Einen roten „Schutzstreifen“ (der natürlich nicht schützt, aber eben euphemistisch so heißt) direkt in die korrekte Spur aufmalen. Und dann die Ampel beim gelben Zickzack so umprogrammieren, dass der Radverkehr hier in einem Zug durchkommt. Da dies jedoch eine unmögliche Aufgabe ist, selbst für den selbsternannten „Ampelgott“, der bei der Stadt Stuttgart arbeitet, wäre die Alternative, an dieser Stelle vor der Ampel wenigstens Haltebügel anzubringen. Somit müssten die Radfahrer*innen dort wenigstens nicht absteigen.
Dies sind nur zwei von vielen, vielen Beispielen aus der ganzen Stadt, wo Rad- und Fußverkehr systematisch benachteiligt werden. Etwas drastischer ist es bei „Radfahren in Stuttgart“ ausgedrückt: Verarschen kan ich mich selber!
Wie man bei einer solchen Infrastruktur auch nur ansatzweise von der Bevorzugung des Rad- oder gar Fußverkehrs reden kann, leuchtet uns überhaupt nicht ein!
Vor Kurzem wurde der Behelfs-Radweg auf der Westseite des Landtages wieder zur Wiese zurückgebaut und die ursprüngliche Routenführung wieder hergestellt. Sie ist nun wieder auf der anderen Seite des Landtages. Dieser Radweg hat eigentlich nie richtig funktioniert. Obwohl das Ordnungsamt der Stadt Stuttgart dort täglich stand, liefen immer Fußgänger*innen auf diesem Weg und es wurde all die ganzen Jahre nicht ein einziger davon jemals mit einem Ordnungswidrigkeits-Bußgeld verwarnt.
Als Radfahrer*in in der selbsternannten „Fahrradstadt Stuttgart“ wundert man sich über diese Führung doch sehr. Manche Bürger*innen, die noch nicht so lange in Stuttgart sind, kennen diesen Weg nicht mal. Nebenbei gesagt: Es ist nicht irgendein Feld- und Wiesen-Touristenradweg. Nein, es ist vielmehr die Hauptradroute 1 – die einzige, überwiegend fertig gestellte Hauptradroute hier in der Großstadt Stuttgart.
Schon die Anfahrt zu diesem Stück Radweg ist abenteuerlich. Man muss über eine miserable Oberfläche mit Baumwurzeln, schief stehende Platten und fehlenden Steinen im Kopfsteinpflaster klar komme und die recht engen und schlecht einsehbaren Kurven um den Akademiebrunnen nehmen.
Dann ist man auf dem wieder eröffneten Weg, auch hier ist Kopfsteinpflaster. Das passt nicht so recht zu einem Radweg.
Kopfsteinpflaster so weit das Auge sieht
Nicht nur das Kopfsteinpflaster ist hier zu beklagen, auch die Schächte, die deutlich unter dem Nieveau der Oberfläche liegen, sind nicht Fahrrad-freudlich angelegt.
Gullydeckel mitten auf der Fahrbahn
Inzwischen merkt man auch, dass nicht nur das Kopfsteinpflaster an sich hier das Problem ist. Es ist vor allem der Zustand des Pflasters. Es sind sehr viele Steine kaputt oder schlicht zertrümmert.
ein paar Steine im Pflaster sind kaputt
Oder sie fehlen gar komplett, was ziemliche Lücken hinterlässt.
andere Steine fehlen im Pflaster komplett
Mitten drin auf dem kurzen Stück sieht man eine weitere Baustelle. Wir sind keine Bauingenieure*innen, aber es sieht doch stark danach aus, dass hier eine weitere Querung über die Hauptradroute gebaut wird; mit High-Tech Pollern, die versenkbar zu sein scheinen.
neuer Überweg mit High-Tech-Pollern
Ein paar weitere Meter im Verlauf kommt noch das für Stuttgart offensichtlich obligatorische Stück Schotter. Es ist zwar nur einen guten Meter lang, aber man fragt sich doch, was das nun schon wieder soll?
noch ein Stückchen Schotterpiste
Das Highlight ist dann eine mehrere Zentimeter hohe Bordsteinkante quer über den kompletten Radweg. Solange man das kennt und ein entsprechendes Fahrrad mit korrekt aufgepumpten Reifen hat, ist das nicht so schlimm. Hat man gerade mal etwas zu wenig Druck auf den Reifen, könnte man sich hier problemlos ein Durchschlags-Plattfuss („Snakebite“) zuziehen. Kinder in Lastenrädern, Anhängern oder Kindersitzen werden hier hart durchgeschüttelt.
eine mehrere Zentimeter hohe Kante
Am Ende dann noch ein Schild, das eindeutig besagt, dass das hier eben wirklich die Hauptradroute 1 („HRR 1“) war. Jetzt muss man nur noch die Ausfahrt des Landtags-Parkplatzes/Tiefgarage queren. Man sieht selbst nichts, weil dort das Kassenhäuschen direkt in der Sichtachse steht. Außerdem steht dort eigentlich immer ein Falschparker; es wäre ja nicht Stuttgart, wenn man Bilder ohne solche Falschparker machen könnte. Stichwort: #Stuttgartparktfair
Gegenverkehr auf der Parkplatz-Ausfahrt
Auch von der Gegenrichtung aus ist man als Radfahrer*in natürlich nicht von den ausfahrenden Autos zu sehen. Abgesehen von den nicht einsehbaren Sichtbeziehungen ist der Fokus der Autofahrer*innen vermutlich eher beim Autoverkehr der achtspurigen Straße, auf den sie sich hier einfädeln wollen.
absolut keine Sicht auf der Radweg
Fährt man dann als Radfahrer*in bei Regenwetter auf der Hauptradroute weiter, muss man gut aufpassen, nicht auf dieses Metallgitter zu kommen. Das ist sehr rutschig, wenn die Oberfläche nicht ganz trocken ist und mal kann dann sehr einfach stürzen.
super rutschige Gitter oder super holpriges Kopfsteinpflaster
Alles in allem kann man sagen, dass dieses Stück Radweg sehr weit weg von irgendwelchen Qualitätsstandards und einer Hauptradroute absolut unwürdig ist.
Und ist zwar nicht so recht klar, wer hierfür jetzt zuständig ist. Aber sowohl das Land Baden-Württemberg versucht sich als „Fahrrad-freundlich“ zu positionieren, als auch die Stadt Stuttgart, die mit dem Zielbeschluss zu den Forderungen des Radentscheids jetzt sogar eine „Fahrradstadt“ werden will.
Wie mit einer solchen grundsätzlich positiven Ausgangslage dann trotzdem eine solch miserable Lösung zustande kommen kann, bleibt ein Geheimnis!
Seit einigen Tagen ist die Schokofahrt schon unterwegs und bringt emissionsfrei transportierte Schokolade in fast alle Ecken von Deutschland. Am Samstag wurden bei den Chocolatemakers in Amsterdam 2 Tonnen(!) Schokolade — darunter 18.000 Tafeln Schokolade — auf über 130 Lastenräder geladen. Vorher sind die Kakaobohnen bereits mit dem Segelschiff der Tres Hombres emissionsfrei aus der Dominikanischen Republik nach Holland gesegelt.
Verfolgen könnt ihr das Ganze aktuell auf Twitter, bei Facebook und selbstverständlich auch bei Instagram.
Wir, die Stuttgarter Schokofahrt, starten am kommenden Samstag um 08:00 Uhr an der Stadtbahnhaltestelle Föhrich in Feuerbach in Richtung Germersheim und werden auf der Spezi, die für Stuttgart bestimmte Schokolade (60 kg) auf unsere Lastenräder laden. Dann wird für einen Rundgang auf der Messe und ein Abendprogramm mit der Fahrradcommunity auf jeden Fall noch ein bisschen Zeit sein.
Am Sonntag werden wir dann wieder nach Stuttgart aufbrechen. Falls noch jemand mitfahren möchte, sei es eine Tour oder beide, entweder bei uns melden (schokofahrt_s[aet]zweirat-stuttgart.de) oder am Samstag einfach pünktlich in Feuerbach sein; vermutlich wird irgendwer auch Critical Maps laufen lassen, damit ihr uns finden könnt. Es kann jede/r mitfahren; ein Lastenrad braucht es nicht, da wir schon genug Ladekapazitäten haben und schnell sind wir sicherlich auch nicht. Wir rechnen damit, die knapp 100 km in einer Fahrtzeit von etwa 6h zu bewältigen. Schließlich wollen wir ja auch noch den einen oder anderen Tweet verfassen.
Unsere Ankunft werden wir dann mit einer kleinen Party im Plattsalat-Café feiern!
Ihr seid daher alle am Sonntag, 28. April um 18:00 Uhr zum Plattsalat West eingeladen, um die Fahrer zu begrüßen.
P.S.: Es gibt auch eine Masterarbeit zur Schokofahrt. Wer also Laura dabei unterstützen will, hier die Infos:
Hilf uns noch besser zu verstehen, wie unsere Initiative (noch viel) erfolgreicher werden kann!
Wie? Indem Du an der Schokofahrt-Studie teilnimmst, und dabei vermutlich auch selber ein bisschen was über Dich lernst.
Die Masterarbeit der Schokofahrerin Laura untersuchen, was die Menschen bewegt bei einer emissionsfreien Fahrt mitzumachen und welche Wirkung die Schokofahrt hat.
Dazu gibt es mehrere Runden der Messungen:
Jetzt, das heißt vor der aktuellen Schokofahrt an Ostern,
direkt nach der Schokofahrt (mit Fahrer_innen),
in ca. acht Wochen.
Jeder Durchgang dauert ca. 15-20 Minuten.
Unter allen, die vollständig teilnehmen, werden fünf tolle, schmackhafte und handgemachte Schokofahrt-Überraschungspakete verlost!
Dieser Link führt Dich direkt zur ersten Runde der Befragung – Vielen Dank! 🙂
Mit dieser katastrophalen Baustelle verhält es sich ein bisschen wie mit diesem Sprichwort, dass man nicht hinschauen kann, aber halt auch nicht wegschauen.
Daher haben wir die Baustelle nochmal besucht und tatsächlich Änderungen festgestellt.
An der Sperrbake ist nun mit Kabelbindern ein laminiertes Schild mit einem Fahrrad drauf und dem Spruch „Bitte Unterführung benutzen“ angebracht. Als erfahrene Baustellen-Radler fragen wir uns noch, ob das jetzt wirklich in die Unterführung gehen soll. Dort ist, wie wir schon gesehen haben, ja ein viel zu schmaler und zu steiler Gehweg.
Unterführung, zum Ersten
Und tatsächlich! Die Stadt (oder war es jemand anderes?) hat hier nochmal ein solches Schild angebracht. Jetzt allerdings mit dem Pfeil in die andere Richtung, direkt auf den Gehweg.
Umleitung, tatsächlich auf dem Gehweg
So sieht also eine Verbesserung der miserablen Situation aus. Weder als Radfahrer*in noch als Fußgänger*in fühlt man sich so von der Stadt ernst genommen.
Offenbar ist der KFZ-Verkehr das einzige, was in dieser Stadt zählt.
die Stadt Stuttgart probiert mal wieder ein neue Maßnahme aus, um den Luftschadstoffen Herr zu werden. Alle bisherigen Maßnahmen haben nicht so richtig funktioniert, die Mooswand vertrocknete, die CityTrees haben nur dem Hersteller genutzt, die Feinstaub-Kehrmaschinen machten hauptsächlich Lärm und auch Feinstaub, die Filtersäulen verbrauchen primär Strom und stehen auf den Gehwegen rum.
Aber jetzt hat die Stadt den heiligen Gral gefunden: einen Straßenbelag, der den Feinstaub und die NOx-Belastung einfach so verschwinden lässt. Wie jede neue Technologie kommt es dem Laien wie Zauberei vor, aber die Profis der Stadt werden nach all den bisherigen Rückschlägen doch jetzt endlich mal die sprichwörtliche „Nadel im Heuhaufen“ gefunden haben.
Was bei der ganzen Umbau-Maßnahme wieder komplett vergessen – oder vielleicht sogar absichtlich völlig ignoriert wurde: der Fuß- und Radverkehr. Ups, das kann in der Autostadt *hüstel* Sorry *hüstel* *räusper* Fahrradstadt, natürlich! Wir sind doch seit dem Radentscheid eine FAHRRADSTADT! Wie auch immer, das kann ja mal passieren.
Wenn man aus dem Park in den Osten will, gibt es dort eigentlich eine Ampel über diese Bundesstraße mit sechs sehr breiten Spuren. Schlecht gemacht und schlecht geschaltet – aber man ist ja schon froh, wenn es in der Fahrradstadt Stuttgart wenigstens mal irgendetwas für den Radverkehr gibt. Jetzt aber nicht mehr, auf dem Radweg steht eine Sperrbake, zum Hohn hat man das Radwegschild natürlich schön sichtbar hängen lassen. Das „Fahrrad frei“ rechts davon hat man sicherheitshalber mal durchgestrichen. Nicht dass irgend so ein*e Radfahrer*in auf die Idee kommt, da lang zu fahren.
hier geht es nicht mehr weiter
Von einer Umleitung ist weit und breit nichts zu sehen, der*die ortskundige Radler*in weiß, dass bei Ampel-Störungen die Unterführung zu nutzen ist. Zumindest gibt es ein Schild irgendwo hier, das so etwas vorschreibt. Bis vor Kurzem war diese Unterführung noch eine große Baustelle, man kam dort zwar rein, auf der anderen Seite aber nicht mehr raus.
Inzwischen ist diese Baustelle einen Schritt fertiger und man soll jetzt mit dem Rad auf diesen Gehweg ausweichen. Fahren darf man dort ja offiziell nicht, also müsste man schieben. Wie viele Radfahrer*innen das machen, kann man vermutlich an einer Hand abzählen. Die Stuttgarter Baustellen-Lösung für Radfahrer „Absteigen und Schieben“ ist einfach keine Lösung und zeigt an eigentlich jeder einzelnen Baustelle in der Stadt, wie heillos überfordert die Stadtverwaltung mit den Anforderungen des Radverkehrs ist!
Die Umleitung: ein Fußweg
Man kann jetzt nur hoffen, dass man in der engen Unterführung (dort unten ist nämlich auch, bzw. weiterhin eine Baustelle), die dazu gleichzeitig auch eine U-Bahn-Station ist, weder Leute umfährt, die unachtsam von einem Gleis zum nächsten hasten oder eine*n Rollifahrer*in, bzw. eine*n Kinderwagen-Schieber*in auf den viel zu schmalen Rampen erwischt. Wer sein Rad schiebt und vielleicht sogar ein Lastenrad mit zwei Kindern drin fährt, kommt bei der langen und steilen Auffahrt gut durchgeschwitzt auf der Seite der Schubartstraße raus. Ein Blick zurück verrät, dass diese Auf-/Abfahrt gar keine Beschilderung hat. Ist es ein Fußweg? Ein Radweg? Beides? Man weiß es nicht.
Auf jeden Fall kommt man jetzt irgendwie auf diese Straße hier, die Neckarstraße. Man soll hier von einer Legion von temporären Baustellen-Schildern geleitet werden. Wobei das treffendere Wort eher verwirrt ist. Neben den vielen Schildern sind direkt neben einem noch sehr viele, sehr genervte Autofahrer*innen, die mit der Situation auch nicht so recht klar kommen. Vor lauter Obacht-geben übersieht man leicht das kleine Fahrrad-Umweg-Schild; wir haben es auch erst beim dritten Anlauf gesehen, obwohl ich probierte, jedes Detail dieser Baustelle beim ersten Mal zu erfassen – es ist unmöglich.
viele, viele Verkehrsschilder
Was es auch etwas schwierig macht, sind die obligatorischen Falschparker*innen, die in Stuttgart natürlich überall stehen. Man nennt sie verniedlichend Fairparker und hat sogar einen eigenen Hashtag für sie entwickelt: #StuttgartParktFair.
Die Halteverbotsschilder stellt man in Stuttgart natürlich auch auf den Gehweg und nicht etwa direkt in das Halteverbot auf die Straße. Dann könnte da ja vielleicht wirklich kein Auto stehen und man würde somit auch die Fußgänger*innen nicht behindern. Unmöglich in Stuttgart!
StuttgartParktFair ist auch dabei
Also, das Umleitungsschild habe ich übersehen, sogar zweimal. Was mir aber auffällt: dieses Verkehrsführungsschild steht jetzt auf einmal mitten auf dem immer noch irgendwie vorhandenen Radstreifen. Man hätte das ja auch problemlos irgendwo anders hin stellen können. Aber hier in Stuttgart gilt immer die Maxime:
Handle jederzeit so, dass der Radverkehr maximal behindert wird und versuche das mit der Leichtigkeit des Autoverkehrs zu argumentieren.
Auch hier wieder dabei, sonst wäre es in Stuttgart ja unglaubwürdig: der*die obligatorische Falschparker*in.
Schild auf dem Radstreifen, mit Falschparker
Nagut, wir fahren mal geradeaus weiter und schauen uns das von der anderen Seite aus an.
Auf den ersten Blick etwas besser. Die Durchfahrt ist lediglich für die Autos verboten. Fahrräder dürfen laut dieser Beschilderung irgendwie durchfahren. Aber irgendwie auch nicht, zum einen steht die Sperrbake mitten auf dem Radstreifen, zum anderen weist der blau/weiße Pfeil alle Verkehrsteilnehmer an, hier links zu fahren. Wir machen uns noch kurz über dieses selbst ausgedruckte Schild „Zur Schwabengarage frei“ lustig (in Stuttgart kann ja jede*r irgendwas an der Beschilderung ändern, die Stadt kontrolliert es sowieso nicht) und fahren wenige Meter weiter.
Fahrräder dürfen hier vielleicht fahren
Jetzt ist aber Schluss. Zwei Durchfahrt-verboten-Schilder, Rettungsdienst frei. Dazu gehören wir nicht und wir fragen uns: Wie soll man legal an diesen Schildern vorbei kommen, um auf die drei Meter später ausgeschilderte Fahrrad-Umleitung zu kommen?
Das kann bei der Stadt vermutlich auch niemand beantworten. Vielleicht haben sie es irgendwann mal in einer Schulung gehört, dass es sowas wie Fahrräder gibt. Wie man damit fährt, scheint in der Stadtverwaltung völlig unbekannt zu sein.
Fahrrad-Umleitung nach dem Durchfahrtsverbot
Wenn man dieser Umleitung trotzdem folgt, kommt gleich danach das nächste Problem: Diese Umleitung geht über einen hohen Bordstein. Hier denken wir wieder an den*die Lastenrad-Fahrer*in mit den zwei Kindern vorne drin. Tja, Pech gehabt! Wäre ja noch schöner, wenn diese Lastenrad-Familien, die von der Stadt ja schon finanziell gefördert wurden, jetzt mit ihren Rädern auch noch irgendwo ungestört fahren könnten. Nicht in Stuttgart!
Bordsteine, Bettelampel, Doppel-Rot
Natürlich wird in Stuttgart hier auch eine Bettelampel für die Fußgänger installiert, mit Doppel-Rot. Wir erinnern uns an die obige Maxime, es muss nicht nur maximal schlecht für den Radverkehr sein, auch Fußgänger*innen müssen jederzeit maximal behindert werden!
Noch kurz eine Nahaufnahme von dem Bordstein. Den hätten wir jetzt einmal rauf, einmal runter und nochmal rauf vor uns. Juhu!
nur noch ein paar solcher Bordsteine
Auf der anderen Straßenseite hat man die Ampel, inkl. der breiten Betonfüße, selbstverständlich wieder auf den Gehweg gestellt. Es muss ja, wir erinnern uns, maximal behindernd ausgeführt werden. Wie man dieser Rad-Umleitung da im Hintergrund hinter dem Baum vernünftig folgen soll, ist völlig unklar. Aber die Stadt kann wenigstens sagen, dass sie doch ein Schild aufgestellt hat.
noch ein letzter Bordstein
Von hier geht es dann irgendwie der Umleitung hinterher und einen kleinen Hügel hoch und wieder runter, bis wir wieder am Neckartor sind. Zurück kommen wir offenbar nicht mehr. Hier greift die andere Stuttgarter Spezialität: Radfahrer*innen müssen sich jetzt in Luft auflösen! Für Fußgänger*innen gibt es die Unterführung, für Radfahrer*innen lediglich das Durchfahrt-verboten-Schild.
Keine Umleitung für Fahrräder
Das ist nur mal ein kurzer Abriss über diese Baustelle, die wie so viele in Stuttgart völlig ohne die Belange von Rad- und Fußverkehr geplant und umgesetzt werden. Beim Autoverkehr werden jedoch keinerlei Abstriche gemacht, hier wurden sogar die Ampeln extra abgehängt, damit die Autos hier freie Fahrt haben, wie auf diesem kurzen Video vom Radentscheid zu sehen ist.
Diese ganze Situation ist nicht nur uns aufgefallen, sondern neben einigen Social-Media-Nutzer*innen auch der BI Neckartor und dem Blog Radfahren in Stuttgart. Die Stuttgarter Gruppe des Fuss e.V. findet noch treffendere Worte und beschreibt es als die „Baustelle des Grauens“ und der ADFC Stuttgart hat einen offenen Brief verfasst.
Zusammenfassen kann man sagen, dass es absolut unverständlich ist, wie der OB Kuhn noch vor wenigen Wochen öffentlich verkündete, dass Stuttgart Fahrradstadt werden solle und er in wenigen Jahren den Radverkehrsanteil auf über 25% erhöhen will. Jede der wenigen und kleinen Maßnahmen, die die Stadt umsetzt, lässt die Radfahrer-Gemeinschaft fragend zurück und solche Aktionen fühlen sich wie ein Schlag ins Gesicht jeder*s Radfahrer*in an. Es gibt 35249 Menschen in Stuttgart, die für die Forderungen des Radentscheids unterschrieben haben, keine einzige Person davon ist mit einer solchen Lösung zufrieden, und wenn sie noch so temporär ist. Es muss aufhören, dass bei jeder Planung immer nur AUTO, AUTO, AUTO gedacht wird, dann nochmal AUTO und dann auf den letzten Zentimetern die Fußgänger*innen und Radfahrer*innen gemischt werden!
Die österreichische Hauptstadt Wien arbeitet daran, den Wiental-Radweg zu vervollständigen. Es gab offenbar vier Alternativen, die geprüft wurden, um dies umzusetzen. Es wurde die Variante gewählt, bei der zwar 60 Parkplätze entfallen werden, jedoch keine Spuren für den Autoverkehr. Die entfallenen Parkplätze sollen anderweitig bereit gestellt werden.
Neben dem Ziel, diese Lücke im Radwege-Netz zu schließen ist eine weitere Motivation, den Radfahrenden einen Umweg zu ersparen, bzw. sie davon abzuhalten, den dortigen Gehweg zu benutzen.
Im amerikanischen Staat Utah wird darüber gesprochen, den sog. „Idaho Stop“ für Radfahrer*innen einzuführen. Das bedeutet, dass an einer roten Ampel oder einem Stopp-Schild nicht mehr zwingend angehalten werden muss. Wenn alles frei ist, darf der*die Radfahrende wie bei einem „Vorfahrt achten“-Schild fahren. Der Name kommt aus dem benachbarten Staat Idaho, der diese Regelung bereits seit 1982 hat und dort die verunglückten Radfahrer*innen um 14% reduziert wurden.
Die politische Vertreterin dieser Initiative wird damit zitiert, dass man dem Urteilsvermögen der Radfahrenden vertrauen solle, denn sie wissen, dass sie bei Unfällen die Verlierer sind.
Die Stadt Halle will im Frühjahr damit beginnen, an drei Grundschulen die sog. „Elterntaxis“ zu verbieten. Dazu werden in 200-300m Entfernung dreier Grundschulen Hol- und Bringzonen eingerichtet. Das soll verhindern, dass die Eltern mit den Autos direkt vor die Schultüre fahren und dabei die anderen Kinder behindern und gefährden.
Im Bericht wird davon gesprochen, dass es eine politische Initiative sei, die den Kindern damit nebenbei auch noch etwas mehr Selbstständigkeit beibringen will.
In der australischen Großstadt Sydney gibt es Pläne, bestimmte Straßen zeitweise für den Autoverkehr zu sperren. Sie sind damit zugänglich für Kinder, die den neu gewonnenen Raum zum Spielen und Toben nutzen können. Im Frühjahr, bzw. deren Winter, soll mit den Tests dieser temporären Spielstraßen begonnen werden.
Im Artikel ist zu lesen, dass es Regelungen für diese Straßen gibt (sie dürfen z.B. nicht an einem Park sein) und dass während der Zeit keine „kommerziellen Aktivitäten“ erlaubt sind.