Autor: Matthias Engel

  • Pilotprojekt “Ride+Drive” in der Region Stuttgart

    Pilotprojekt “Ride+Drive” in der Region Stuttgart

    Das neue Konzept “Ride+Drive” kombiniert eine staufreie und klimafreundliche Anreise mit der Nutzung des eigenen Autos in der Stadt. An ausgewählten Stationen im Umland können die Autofahrenden auf den Zug umsteigen und ihr Auto einfach mitnehmen. In der Innenstadt steht es ihnen dann wieder zur Verfügung und sie können damit zum Einkaufen fahren. Erste Pilotversuche laufen schon, wie das Foto von dem “Ride+Drive”-Bahnhof Leonberg zeigt. Der Einzelhandel begrüßt die Stärkung der Stuttgarter Innenstadt, allerdings muss aus seiner Sicht mehr für die Erreichbarkeit der Geschäfte getan werden. Noch versperren vielerorts Fußgängerzonen die Zufahrt und machen die Läden unattraktiv für den Einkauf per “Ride+Drive”. Um hier eine erhöhte Flächengerechtigkeit zu erreichen, soll eine Öffnung für den Autoverkehr diskutiert werden, zumindest an den Wochenenden.

  • Winterdienst auf Radwegen

    Hier eine Info-Sammlung zum Thema Winterdienst auf Radwegen, mit nationalen und internationalen Beispielen, und mit Bezug zum Winterdienst in Stuttgart.

     

     

    Forderung ADFC:

     

     

    Technik:

     

  • Fahrradstraßen steigern Attraktivität der Stuttgarter Innenstadt

    Fahrradstraßen steigern Attraktivität der Stuttgarter Innenstadt

    In Stuttgart, der Stadt des Automobilbaus, etablieren sich neben Fußgängerzonen nun auch Fahrradstraßen. Das erscheint zunächst erstaunlich, doch auf den zweiten Blick ist das nur logisch: Autos sind nicht dafür gemacht, dass wir damit in großer Zahl in engen Städten unterwegs sind, dort im Stau stehen und Parkplätze suchen, sondern sie haben ihre Stärken auf freien Überland-Strecken. In den dicht besiedelten Innenstädten ist man hingegen besser mit dem öffentlichen Nahverkehr, dem Fahrrad und zu Fuß unterwegs, drei sehr flächeneffizienten und direkten Verkehrsmitteln. Damit können viele Menschen in die Innenstädte kommen, dort arbeiten, einkaufen, einkehren und ihre Freizeit verbringen.

    Die Stadt gewinnt ohne ein Übermaß an Kraftfahrzeugen auf den Straßen an Lebensqualität und bekommt mehr Platz für das, was eine Stadt ausmacht, z.B. Sehenswürdigkeiten, Gewerbe, Gastronomie, Kunst und Kultur. Gestärkter Fuß- und Radverkehr und eine gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln stellen die Mobilität sicher, und Parkmöglichkeiten im Umfeld ermöglichen es weiterhin mit dem Auto anzureisen, falls dieses unverzichtbar sein sollte.

    Stuttgart folgt damit dem Mobilitäts-Trend fortschrittlicher internationaler Städte, die mit einer Verkehrswende ihre Attraktivität steigern. Die Tübingerstraße und die Eberhardstraße sind erste Schritte für die Stadt der Zukunft, die es zu feiern gilt. Sie sind noch die Anfänge der Umgestaltung – freuen wir uns auf mehr!

    Fahrradstraßen – was bringen sie?

    Dies sind Vorteile von Innenstädten mit Fahrradstraßen:

    • attraktivere Straßen mit weniger fahrenden und parkenden Kraftfahrzeugen
    • bessere Sichtbarkeit und Zugänglichkeit von Geschäften, Restaurants o.ä.
    • mehr Platz für Außengastronomie und Warenauslagen
    • ein Autoparkplatz ergibt zehn Fahrradparkplätze
    • lebenswerte Gestaltung des öffentlichen Raums für Aufenthalt und Veranstaltungen
    • weniger Lärm und bessere Luft durch weniger Schadstoffe
    • kein störender Parkplatzsuchverkehr und keine Auto-Poser
    • mehr Sicherheit im Straßenverkehr, insbesondere für Kinder und Senioren
    • leichtere Querung der Straße
    • aktiver Beitrag zum Erreichen der Klimaziele

    Was muss man bei einer Fahrradstraße beachten?

    Laut StVO darf anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr sowie Elektrokleinstfahrzeuge die Fahrradstraßen nicht benutzen, außer dies ist durch Zusatzzeichen erlaubt. Es gilt für den Fahrverkehr eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, und der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Der Kraftfahrzeugverkehr muss wenn nötig die Geschwindigkeit weiter verringern. Das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern ist ausdrücklich erlaubt. Ansonsten gelten die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung und über die Vorfahrt.

    Quelle und weitere Informationen zu den Ge- und Verboten in Fahrradstraßen:


    Wie wirken sich Fahrradstraßen auf Handel, Gewerbe und Gastronomie aus?

    Zu den positiven Auswirkungen der Fahrradstraßen auf den Umsatz in den Innenstädten gibt es zahlreiche Artikel, Studien, Schaubilder und Videos, von denen wir hier einige zusammenstellen.

  • Eberhardstraße Stuttgart – die attraktive Innenstadt

    Eberhardstraße Stuttgart – die attraktive Innenstadt

    Die Eberhardstraße in Stuttgart ist ein fortschrittliches Konzept für die Innenstadt der Zukunft: Eine attraktive Straße mit urbanem Wohnen, abwechslungsreichen Geschäften, vielfältigen Einkehrmöglichkeiten, lebendiger Außengastronomie und zahlreichen Dienstleistungen, und mit viel Platz für die Menschen. Breite Gehwege ermöglichen entspanntes Flanieren, ohne störenden Autoverkehr und ohne zugeparkte Straßen. Als Fahrradstraße ist die Eberhardstraße Teil der Hauptradroute HRR1 in Stuttgart, die viele Kundinnen und Kunden in die Stadt bringt. Nach und nach werden die bauliche Gestaltung und das Angebot noch attraktiver werden.

    Entlang der Fahrradstraße und in den Nebenstraßen gibt es Fachhandel, Dienstleistungen, Gastronomie und Bars, aber auch städtische Verwaltungen, das Standesamt und ein Museum im Geburtshaus des Philosophen Georg W. F. Hegel. Die Straße ist geprägt von teils historischen Gebäuden, von Arkaden und großen Bäumen, die im Sommer Schatten spenden. Nördlich der Eberhardstraße liegt das beliebte Ausgehviertel rings um den Hans-im-Glück-Brunnen, südlich davon gibt es weitere Bars und Clubs. Im Westen prägt der Tagblatt-Turm die Szenerie, das erste Hochhaus der Welt in Sichtbetonbauweise und ein Wahrzeichen der Stadt.

    Durch Klicken auf die Karte kommen Sie auf eine Seite, auf der Sie auf die Logos klicken können und zu den Internetseiten der Unternehmen weitergeleitet werden.

     


    Übersicht in tabellarischer Form

     

    Alles ist zu Fuß und mit dem Fahrrad erreichbar, ausreichend Radparkplätze sind meist direkt vor dem Ziel vorhanden. Die Haltestellen „Rathaus” für Bus und Stadtbahn befindet sich gleich daneben. Wer mit dem Auto kommen möchte, parkt einfach in den Parkhäusern und Tiefgaragen in der Nähe. Neben dem Radverkehr ist die Eberhardstraße nur für die Zufahrt zu den Behindertenstellplätzen, für Taxis und zeitlich begrenzt für Lieferverkehr frei.

     

    Impressionen aus der Eberhardstraße

     

    Videos Eberhardstraße

    Eberhardstraße im Jahr 2021 (ab 0:28:00)
    Eberhardstraße im Jahr 2015, vor der Verkehrsberuhigung

     

    Kulturdenkmale und Kunst in der Eberhardstraße

    Graf-Eberhard-Bau Eberhardstraße 10, 1907–1908, Jugendstil, Karl Hengerer, mit dem
    Merkurbrunnen, 1910, Ludwig Habich
    Geschäfts- und Mietshaus Eberhardstraße 12, 1907, Karl Hengerer
    Geschäfts- und Mietshaus Eberhardstraße 14, 1906, Louis-Seize-Formen, Karl Hengerer
    Mietshaus mit Ladenlokal Eberhardstraße 43, 1700–1800, Barock
    Mietshaus Eberhardstraße 45, 1700–1800, Barock
    Geschäftshaus Schillerbau Eberhardstraße 47 und 49, 1910–1913, Neoklassizismus, Carl Heim und Jakob Früh
    Geburtshaus von Georg W. F. Hegel Eberhardstraße 53, 1400–1600 und 1775–1800, Barock (Fassade)

     

     

     

  • Mobilität und Raum in Stuttgart – über was diskutieren wir eigentlich?

    Mobilität und Raum in Stuttgart – über was diskutieren wir eigentlich?

    Kaum geht es in Stuttgart um Straßenraum, der anders genutzt werden soll als für Autoverkehr, dann ist die Hölle los, insbesondere wenn dabei Parkplätze wegfallen sollen. Sei es bei Radwegen, bei Außengastronomie oder bei Begrünung – sofort bringen sich scheinbar unversöhnliche Lager in Stellung, von der Politik bis zu den Socialmedia, und man hat mit den immer gleichen Argumenten zu kämpfen. Wer liegt nun richtig? Am Ende wird nicht Einseitigkeit und Egoismus die Lösung sein, sondern wir werden uns auf eine vielseitige und gesellschaftlich sinnvolle Mobilität und Raumnutzung einigen müssen.

    Über was diskutieren wir eigentlich? Seit Jahrzehnten prägt der Autoverkehr die Stadt und hat unseren urbanen Raum dorthin gebracht, wo wir heute vielerorts sind: Zugeparkte Straßen ohne öffentliches Leben, trennende mehrspurige Stadt-Autobahnen durch das Zentrum, und kaum attraktiver Stadtraum. Das Auto ist fest in unseren städtischen Lebensraum eingedrungen! Da haben wir von Feinstaub, Schadstoffen und Lärm noch gar nicht gesprochen, auch nicht von überhöhter Geschwindigkeit, Gefährdung und Unfällen, und von der Tatsache, dass Kinder kaum mehr auf der Straße spielen können und in Elterntaxis umhergefahren werden. Stau und Parkplatznot prägen den Alltag in unserer Stadt, Falschparken ist alltäglich und scheint geduldet zu sein. Insgesamt ein Zustand, der für niemanden von uns zufriedenstellend sein kann. Wollen wir das wirklich weiter so haben?

    Stets kommt der Ruf nach mehr Straßen und mehr Parkplätzen in der Stadt. Aber das Real-Experiment seit Mitte des letzten Jahrhunderts zeigt, dass das System offensichtlich nicht funktioniert. Denn mehr Straßen und mehr Parkraum ziehen mehr individuellen Autoverkehr nach sich – und schon kurze Zeit später sind wir wieder beim gleichen Problem, nur größer und noch schwieriger zu lösen. Inzwischen kommen wir auch allein flächenmäßig an eine Grenze oder haben diese bereits überschritten. Wir dürfen also nicht rückständig in der Verkehrspolitik von damals verharren! Auch wenn es beim Rosenstein-Tunnel noch so praktiziert wird, ist das Abreißen von ganzen Häuserzeilen und Rodung des wenigen Grüns für weitere Straßen und Parkplätze in der Stadt keine Option, auch nicht das Verbieten von Mobilität. Das Priorisieren geeigneter Mobilitätsformen ist hingegen sehr wohl eine Lösung für unsere dicht besiedelten Städte.

    Der fahrende und ruhende Autoverkehr ist vom Platzbedarf her extrem ineffizient, zumal Autos sowohl am Startort als auch am Zielort Parkflächen benötigen und einen Großteil der Zeit herumstehen. Der prozentuale Anteil der jeweiligen Mobilitätsformen am Flächenverbrauch ist natürlich lokal unterschiedlich und muss abhängig von der jeweiligen Situation gemessen und bewertet werden, doch wer durch die Stadt geht, bemerkt schnell die offensichtliche Dominanz der Autoverkehrsflächen, für die sich der Begriff „Arrogance of Space“ geprägt hat. Wir brauchen also den Ausbau flächenmäßig effizienterer Verkehrsmittel in der Stadt! Zum einen um den zusätzlichen Verkehr in den wachsenden, aber platzmäßig begrenzten Städten zu ermöglichen, zum anderen um den Raum in den Städten für andere, schönere Dinge als für Parkplätze und Autostraßen zu nutzen. Das heißt es müssen weniger Autos in der Stadt werden – Punkt. Anders lässt sich das Problem in unseren Städten nicht lösen. Weder der Besitz noch die Nutzung von Autos werden generell angezweifelt, aber deren Anteil an der Mobilität wird sich ändern müssen.

    Wir wollen mobil bleiben, also müssen verstärkt Alternativen her und weitere attraktive Angebote gemacht werden. Dabei muss noch deutlicher nach zukünftigem Bedarf geplant und gebaut werden und nicht nach Ist-Zustand. Natürlich gibt es z.B. auf einer Stadtautobahn keinen Radverkehr und es fahren auch nicht überall Straßenbahnen, aber das heißt nicht, dass es auf diesen Strecke nicht diese Mobilitätsform geben würde, wenn sie denn ermöglicht wäre. Angebot schafft Nachfrage! Wenn man z.B. gute Radstrecken anbietet, fahren die Leute Rad. Bietet man nur Autostraßen an, letztlich übrigens ziemlich undemokratisch, dann müssen die Leute Auto fahren – und wie das endet sehen wir ja täglich in Stuttgart.

    Was sind also konkret die Alternativen? Das ist zum einen der öffentliche Nahverkehr: Er muss räumlich, zeitlich und kostenseitig attraktiver werden und an andere Mobilitätsformen gut angebunden sein, z.B. an den Fernverkehr und mit Park-and-Ride-Plätzen. Zum anderen ist es der Radverkehr: Dieser hat als individuelle Mobilitätsform in der Stadt großes Potential, nachgewiesen in langjähriger Erfahrung in entsprechend ausgestatteten Städten weltweit. Praktisch, schnell und platzeffizient ist das Fahrrad ein ideales Transportmittel in der Stadt, dank E-Bike auch am Berg und bei größeren Lasten, hat wenig Parkplatzsorgen und ist zudem sicher. Radverkehr ist eine hervorragende Lösung, sofern die Infrastruktur passt – und genau daran fehlt es in Stuttgart. In gewissem Umfang lässt sich auch der Fußverkehr wieder stärken, der durch die Übermacht des Autoverkehrs an den Rand und in den Untergrund gedrängt wurde.

    Zusätzlichen Platz für die Infrastruktur haben wir nicht, Bäume und Häuser wollen wir dafür nicht verlieren, auch nicht die Gehwege. Also muss bisher für Autos genutzter Platz dafür umgewidmet werden. Wenn man sieht, welche enormen Flächen dem Autoverkehr in der Stadt zugestanden werden, z.B. für mehrspurige Straßen, riesige Kreuzungen und umfangreiche Parkplätze, so erscheint eine neue Flächenverteilung längst überfällig. Autoverkehr ist kein Naturgesetz, allenfalls eine Folge des inzwischen veralteten Mobilitätsverständnisses und des Verkehrssystems! Klar, der Autoverkehr braucht diese großen Flächen. Weil er so platzineffizient ist. Aber dann ist das Auto ein unpassendes Verkehrsmittel für eine enge Innenstadt, ganz einfach.
    Das heißt übrigens nicht, dass der Autoverkehr in der Stadt gänzlich abgeschafft wird. Er muss aber dort hinterfragt und in der Menge angepasst werden, wo seine Nachteile überwiegen, und wo Alternativen die bessere Lösung sind. Das steht auch nicht im Widerspruch dazu, dass das individuelle Kraftfahrzeug anderswo sehr wohl eine sinnvolle und kaum vermeidliche Mobilitätsform ist. Also keine Panik!

    Doch es geht um mehr als um Mobilität, es geht auch um Lebensqualität und die Gesellschaft in der Stadt! Dort wollen wir nicht leblose Straßenzüge, die in erster Linie aus Parkplätzen und Fahrbahn bestehen, sondern attraktiven öffentlichen Raum, den alle Gesellschaftsschichten nutzen. Zum Beispiel kleine Läden zum Einkaufen, Cafés und Restaurants mit Außengastronomie, Alleen, Straßenbäume, Parks und Spielplätze, schöne Gebäude, Brunnen und Wasserflächen, attraktive Viertel und Plätze zum Flanieren, Verweilen, Ausgehen und Leute treffen, Orte für Kunst und Kultur – eben all das, was eine Stadt und das Leben dort ausmacht. Im Übrigen genau das was wir im Urlaub suchen, wenn wir eine Städtereise unternehmen, und was auch Touristen an Stuttgart schätzen würden, über die bestehenden Sehenswürdigkeiten hinaus. Für all das lohnt es sich, Flächen des Autoverkehrs und Parkplätze für Privateigentum in besser genutzten öffentlichen Raum für uns alle zu wandeln!
    Alle Bilder sind in Stuttgart aufgenommen, sowohl die Ansichten, auf denen der Autoverkehr dominiert, als auch die Ansichten, auf denen öffentlicher Raum für anderes als für Parkplätze und Autostraßen genutzt wird. Die Positiv-Beispiele zeigen, was in Stuttgart schon möglich ist, und wie man die Stadt attraktiver gestalten kann.

    Spätestens jetzt kommen die provokanten Fragen und streitbaren Argumente zum Thema, die sich aber schnell einordnen lassen:

    • Wo sollen denn all die Leute dann parken, wenn man Parkplätze entfernt und z.B. durch Radwege oder Bäume ersetzt?
      Solange es keine guten und sicheren Alternativen für den Umstieg auf den Umweltverbund gibt, also öffentlichen Nahverkehr, Radverkehr und Fußverkehr, wird sich an der Situation nichts ändern. Also muss man diese Alternativen schaffen. Nach einer Übergangsphase pendelt sich das System dann ein: Durch die besseren Alternativen bei ÖPNV und insbesondere bei der Fahrrad-Infrastruktur werden durch das neue Angebot mehr Leute die Möglichkeiten nutzen. Unterstützt durch Sharing-Konzepte von Fahrrad und Auto wird dadurch der individuelle Autoverkehr weniger und somit nehmen die benötigten Parkflächen ab. Hier muss die Politik und Verwaltung mutig und langfristig denkend agieren, sonst ändert sich nichts! Da sind oft größere Umwandlungen aus einem Guss sinnvoller als kleine lokale Schritte, die durch ihre Unvollständigkeit nur zu Konflikten führen. Dass Umwidmungen erfolgen müssen, steht außer Zweifel. Immer wieder um jeden Parkplatz zu diskutieren lähmt nur die Weiterentwicklung der Stadt und deren Zukunft und verschiebt die Probleme. Manchmal geht es nicht ohne Nachdruck, z.B. mit verstärktem Parkraum-Management. Parkhäuser gibt es in Stuttgart schließlich genug rings um den Cityring und darüber hinaus, doch sie sind kaum ausgelastet, wenn Parken im öffentlichen Raum und selbst Falschparken günstiger ist. Es gibt auch keinen Grund dafür, speziell den Autoverkehr im öffentlichen Raum zu bevorzugen. Man kann hier gut die Gegenfrage stellen: Wo sollen denn all die Leute gehen, radfahren und sich draußen aufhalten, wenn die wenigen Freiflächen entfernt und z.B. durch Parkplätze und Straßen ersetzt wurden? Eine beträchtliche Bevölkerungsgruppe ist nämlich nicht mit dem Auto in der Stadt unterwegs.

    • Aber das macht den Einzelhandel kaputt, wenn man nicht mehr überall hinfahren und parken kann!
      Dieses Argument kommt oft als nächstes, aber bestehen die Probleme des Einzelhandels nicht bereits jetzt schon, in der Autostadt Stuttgart? Shopping Malls mit großen Parkplätzen auf der grünen Wiese und Onlinehandel, gleichzeitig verödende Innenstädte und die immer gleichen Handelsketten in den Fußgängerzonen – das sind die realen Probleme. Ein Wandel in der Stadt ist also ganz im Gegenteil eine Chance für den Einzelhandel dort. Attraktive Straßen mit wenig oder gar keinem Autoverkehr locken die Leute zum Bummeln an, kombiniert mit Gastronomie und Veranstaltungen. Reales, individuelles und authentisches städtisches Leben mit Läden und Märkten, anstatt Kunstwelten in Shopping Malls. Das Einkaufserlebnis wird ein ganz anderes werden als in Straßen mit einem Wall aus Blech auf beiden Seiten und ständigem Parkplatz-Suchverkehr. Letztlich kaufen die Menschen und nicht die Autos ein, und auf einem Autoparkplatz können zehn Radfahrende ihre Fahrräder und Lastenräder abstellen oder es passt ein gut gefüllter Tisch einer Außengastronomie darauf. Beides wird mehr Umsatz bringen als ein Autoparkplatz, auf dem vielleicht sogar ein Dauerparker steht, der ganz woanders einkauft. Viele Statistiken erweisen, dass der Einzelhandelsumsatz überwiegend von den Nicht-Autofahrenden kommt. Während den Parkhausbesuchern gerne einmal das Parkticket erstattet wird, gehen Kunden, die mit dem ÖPNV, per Fahrrad oder zu Fuß einkaufen, meistens leer aus. Gleichzeitig bringen wir durch diesen Wandel wieder kleinere Strukturen in die Städte, die es auch erlauben, zu Fuß im direkten Umfeld Ziele zu erreichen und nicht auf das Auto angewiesen zu sein, um in ein Shopping Center fahren zu müssen. Mit einer Stärkung des Fußverkehrs und lokalen Strukturen kommt man dann auch zu dem, was man eine 15-Minuten-Stadt nennt, bei der man in einer Viertelstunde alle wichtigen Orte für Besorgungen und Erledigungen erreichen kann – zu Fuß. Für eine lebenswerte Stadt und nicht zuletzt für die Klimawende müssen wir diesen Weg gehen.

    • Aber viele sind auf das Auto angewiesen, was machen die?
      Diese Fälle und entsprechende Mobilitäts-Szenarien gibt es und sie sollten auch möglich sein, jedoch sind sie kein Grund, nichts für diejenigen zu tun, bei denen es nicht der Fall ist. Schaut man in erster Linie durch die Windschutzscheibe eines Autos, so hält man dieses für unverzichtbar und sieht nicht die Möglichkeiten, die andere Mobilitätsformen bieten. Sei es die Individualität, Flexibilität und Leichtigkeit, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist, oder die Freiheit beim ÖPNV, bei dem man kein Fahrzeug als “Klotz am Bein” hat und damit irgendwo parken muss. Selbst für Transporte gibt es heute mit Lastenrädern gute Alternativen. Natürlich gibt es auch Leute und Branchen, die tatsächlich vom Auto abhängig sind, doch für sie findet man auch Lösungen, z.B. mit Anlieger-Regelungen, Lieferzonen oder Behindertenparkplätzen, aber das darf kein Ausschlusskriterium sein, etwas in der Stadt zu ändern. Weniger Stau und Autoverkehr nützt übrigens denjenigen, die wirklich auf das Auto angewiesen sind, von daher müssten Autofahrende sogar Radwege fordern statt ablehnen.
      Auch bei dieser Frage hier kann man wieder die Gegenfrage stellen: Was ist mit denjenigen, die kein Auto fahren können und mobil sein wollen, z.B. Jugendliche bis 18 Jahre oder der wachsende Anteil an Seniorinnen und Senioren? Sie sind auf Alternativen zum Autoverkehr angewiesen.

    • Wir sind eine Autostadt und machen unsere Automobilindustrie kaputt, wenn wir den Platz für Autos in der Stadt reduzieren!
      Die Automobilindustrie wäre arm dran, wenn sie davon abhängig wäre, ob wir unsere Innenstädte mit Autos vollstellen oder nicht. Autos haben woanders ein geeignetes Anwendungsfeld, nicht wenn sie in engen Städten im Stau stehen. Ganz im Gegenteil: Wenn wir die Städte vom Übermaß an Autoverkehr befreien, gewinnt das Automobil wieder ein besseres Image zurück, nämlich das der Freiheit und des entspannten Fahrens und nicht des täglichen Staus und des Kampfes um Parkplätze in vollen Städten. Da macht es übrigens keinen Unterschied, ob es Elektroautos oder Autos mit Verbrennungsmotor sind – das Platzproblem haben beide. Durch attraktive Innenstädte gewinnen wir neben Lebensqualität übrigens auch zahlreiche Jobs vor Ort zurück, z.B. in Handel und Gastronomie, aber auch im Nahverkehr. Nicht zuletzt lockt eine attraktive Stadt mit einem positiven Image auch wieder mehr Leute und Unternehmen an, was bei Feinstaub, Stau und zugeparkten Stadtvierteln nicht der Fall ist. Es geht übrigens nicht darum, das Automobil an sich abzuschaffen. Es hat im richtigen Anwendungsfeld zweifellos seine Vorteile und seine Berechtigung, gerade dann wenn Fahrrad, ÖPNV und Bahn zeitlich, örtlich und kapazitiv an ihre Grenzen kommen. In der engen Stadt jedoch gibt es bessere Optionen als das Auto, und das erkennt auch die Automobilindustrie. Es müssen zusammen konstruktive Lösungen gefunden werden, losgelöst von Egoismus und Dagegen-Mentalität. Diese Lösung wird ein cleverer Mobilitätsmix sein, für den es entsprechende Infrastruktur benötigt und bei dem die jeweils geeignete Mobilitätsform Vorrang hat. So wie es Autobahnen ohne Fuß- und Radverkehr gibt, wird es auch Innenstädte ohne Autoverkehr geben – wir müssen hier die gesamte Bandbreite im Blick haben.

    • Wer Ruhe und Natur haben will, soll doch auf’s Land ziehen!
      Wer die Stadt als großen Parkplatz sieht, der nicht für städtisches Leben und etwas Natur angetastet werden darf, hat vermutlich das Prinzip einer Stadt und deren Gesellschaft falsch verstanden. Wer zwingend vor dem Haus parken will und Platz zum Autofahren braucht, ist vermutlich auf dem Land oder in einer entlegenen Vorstadt besser aufgehoben. Viele Parkplätze im knappen öffentlichen Raum einer flächenmäßig teuren Stadt zu verlangen, evtl. sogar kostenlos, ist nicht mehr zeitgemäß und schon gar nicht marktgerecht. Parken in der Stadt ist nicht ausgeschlossen, aber eben nicht fast ausschließlich.

    • Die Autofahrer bezahlen doch mit ihren Steuern die Straßen und nicht die Radfahrer!
      Steuern sind nicht zweckgebunden, und auch Radfahrende und sogar Leute, die zu Fuß gehen, zahlen Steuern, von denen u.a. Straßen gebaut werden. Dafür reichen die Mittel aus Kraftfahrzeug- und Kraftstoffsteuer bei weitem nicht aus, zumal daraus auch Ausgleichsmaßnahmen finanziert werden müssen, die ohne den vielen Autoverkehr gar nicht auftreten würden. Somit gibt es keinerlei Grund, gegen steuersubventionierten öffentlichen Nahverkehr zu argumentieren und schon gar nicht gegen den Radverkehr, der durch seinen gesundheitlichen Nutzen sogar der Gesellschaft hilft.

    Wichtig ist, dass die Politik und insbesondere auch die Verwaltungen die Verkehrswende jetzt schnell vorantreiben und diejenigen unterstützen, die dazu beitragen möchten. Letztlich ist es aber nicht nur ein Thema der Politik und Verwaltung, sondern hier sind wir alle gefragt, persönlich! Dazu gehört das Überdenken der eigenen Bewegungsmuster, das Ausbrechen aus eingefahrenem Mobilitätsverhalten und die Nutzung alternative Fortbewegungsarten. Es sind nicht immer nur die anderen, die auf das tonnenschwere Fahrzeug für kurze Strecken in der Stadt verzichten müssten oder die endlich mal Bus und Bahn oder das Fahrrad nutzen sollten und viel öfter zu Fuß gehen könnten. Jeder von uns kann andere Mobilitätsformen nutzen und deren Vorteile schätzen lernen! Ganz nebenbei lernt man so auch die Stadt neu kennen, sei es beim Blick aus Bus und Bahn oder beim Erkunden von Stadtvierteln mit dem Rad oder zu Fuß. Dabei muss es nicht der hundertprozentige Wandel sein, oft reichen schon Anteile und das Kombinieren der Verkehrsmittel aus. Es gibt unterschiedlichste Mobilitäts-Szenarien, stets sehr individuell, und von daher ist eine Pauschal-Empfehlung nicht möglich. Es hilft aber, sich bei Mitmenschen zu informieren, die vielleicht schon das Fahrrad, den ÖPNV oder das Carsharing für sich entdeckt haben, und aus diesen Beispielen zu lernen. Ebenso kann man eine Mobilitätsberatung befragen oder ganz einfach selbst ausprobieren, welche anderen Mobilitätsformen es gibt. Durch den veränderten Blickwinkel und das Kennenlernen der Mobilitätsformen steigt auch das Verständnis für die Mitmenschen, die die jeweils andere Mobilitätsform nutzen. Das führt zu mehr Respekt und Rücksicht – beides längst überfällig in einer Stadtgesellschaft, in der gleich laut auf die Hupe gedrückt oder geschrien wird.
    Den Ausbau der Alternativen zum Autoverkehr sollte jeder von uns einfordern, und die Politik muss sich daran messen lassen. Mit einer Verkehrswende in Stuttgart gewinnen wir alle, mit verbesserter Mobilität und mit einer lebenswerteren Stadt.
    Das Thema Handel und Gewerbe muss von der Politik auch weitergehend betrachtet werden: Werden in der Innenstadt Einkaufszentren genehmigt oder fischen Shopping Malls mit kostenlosen Parkplätzen schon in den Außenbezirken die Kunden ab, dann haben es innerstädtische Handel- und Gewerbetreibende erst recht schwer. Somit ist es nicht nur ein Mobilitätsthema, sondern ein Thema des vorausschauenden und verantwortungsbewussten Städtebaus. Dabei bleibt noch die Frage offen, wie man gegen die Bequemlichkeit eines gestärkten Online-Handels ankommen kann. Attraktive Einkaufsgegenden mit reduziertem Autoverkehr sind ein international bewährtes Mittel, ebenso das Anbieten eines besseren und praktischeren Einkauferlebnisses als vor dem heimischen Bildschirm.

    Nun müssen also die Schritte für eine Verkehrswende in Stuttgart und ähnlichen Städten möglichst rasch erfolgen. Das ist die verstärkte Schaffung von Alternativen zum individuellen Automobilverkehr: Ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Park-and-Ride-Angebote und insbesondere der schnelle Ausbau von sicherer und bequemer Fahrrad-Infrastruktur, und zwar richtig und nicht als Stückwerk. Hierfür müssen Autoflächen umgewandelt werden, was schnell geht und sich in Summe als Gewinn für alle herausstellen wird.
    Vorbilder gibt es national und international genug, man muss eigentlich nur kopieren und braucht gar nichts neu zu erfinden. Von Bereichen für den Fußverkehr und geschützten Radstreifen über Spielstraßen und Fahrradstraßen bis hin zu Superblocks und generellem Tempo 30 ist vieles möglich und erhöht sowohl die Sicherheit vor den Gefahren des Autoverkehrs, als auch die Qualität unseres Lebensraums. Eine Mobilitätsform sollte übrigens nicht Ausdruck einer politischen oder gesellschaftlichen Position sein oder als solche wahrgenommen werden, sondern es geht letztlich darum, welches Verkehrsmittel jeweils geeignet ist, individuell und gemeinschaftlich gesehen.
    Hilfreich ist ein Blick auf andere Städte, die die Verkehrswende schon lange angegangen sind: Amsterdam und Kopenhagen, übliche Beispiele für einen hohen Radverkehrs-Anteil, waren früher autozentrierte Städte und haben den Wandel zu einer attraktiven Stadt mit vielfältiger Mobilität geschafft, ebenso Utrecht. Auch Brüssel, Paris, Oslo, Vancouver und Wien gehen hier in die richtige Richtung. In Ulm hat man schon vor vielen Jahren das Problem erkannt und eine trennende Stadtautobahn durch die „Neue Mitte“ ersetzt, die nun zwei Stadtviertel verbindet.
    Das Thema ist so essentiell für die Stadt und deren Zukunft, dass jegliche partei- und lobbypolitischen Spielchen unterlassen werden müssen und alle an dem gemeinsamen Ziel einer multimodalen und einer lebenswerten Stadt arbeiten müssen. Also einer Stadt, bei der nicht nur das Auto, sondern die Kombination der Verkehrsmittel im Fokus steht, und diejenigen Verkehrsmittel besonders gefördert werden, welche für den engen urbanen Raum ideal sind. In diesem Zug muss auch die Stadt an sich lebenswerter und attraktiver gestaltet werden, um im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

     

    (Die farbig hinterlegten Verknüpfungen im Text führen zu weitergehenden Informationen und Quellen.)

  • 3. Juni 2021: Radentscheid Stuttgart macht die Wilhelmsbrücke in Bad Cannstatt frei

    3. Juni 2021: Radentscheid Stuttgart macht die Wilhelmsbrücke in Bad Cannstatt frei

    Am 3. Juni, dem Weltfahrradtag, demonstrieren bundesweit in mehr als 28 Städten und Gemeinden Menschen für eine bessere und sichere Fuß-und Fahrradinfrastruktur. Während Nahmobilität im letzten Jahr immens an Bedeutung gewonnen hat und die Fahrradbranche boomt, ist auf den Stuttgarter Straßen bisher kaum etwas davon angekommen. Der Radentscheid Stuttgart fordert ein zügiges Umdenken. Wir befreien für einen Tag die Wilhelmsbrücke in Bad Cannstatt vom Autoverkehr für zu Fuß Gehende und den Radverkehr. Denn die Rückgabe von Verkehrsflächen an den Fuß-und Radverkehr ist längst demokratischer Wille, aber die Stadtverwaltung möchte lieber wieder und wieder prüfen, statt in die Umsetzung zu gehen.

    Seit über zwei Jahren nun gibt es in Stuttgart eine stabile Mehrheit für die Förderung des Radverkehrs. Die Freigabe der Wilhelmsbrücke für den Fuß-und Radverkehr wurde im Juni 2018 zwar vom Gemeinderat beschlossen, im Anschluss aber von der Stadtverwaltung nicht weiterverfolgt. Erst im April 2021 erinnerte der Bezirksbeirat Bad Cannstatt an die Beschlusslage und dass die Öffnung der Wilhelmsbrücke für den Fuß-und Radverkehr in die Begleitmaßnahmen zum Rosensteintunnel aufzunehmen.

    Über den Neckar existiert oft gar keine Infrastruktur für den Radverkehr. Seit kurzem gibt es eine Fuß-und Fahrradbrücke, doch die endet im B10-Nirvana. Umso besser, dass der Gemeinderat und der Bezirksbeirat Bad Cannstatt auf die Freigabe der Wilhelmsbrücke für den Fuß-und Rad-verkehr drängen. Die Brücke verbindet die Neckarvorstadt mit der Altstadt Bad Cannstatt, wird aber noch zu großen Teilen vom Autoverkehr besetzt. Für alle anderen bleibt nur der konfliktreiche, schmale Seitenraum.

    “Der Rosensteintunnel sollte den Verkehr beruhigen und Flächen vom Autoverkehr befreien. Nun lassen die Planungen nicht nur die Kosten explodieren, sondern auch den Autoverkehr. Das aber führt die Bürgermeister Thürnau, Pätzold und Dr. Maier nicht etwa zu Überlegungen, wie sie den dringend benötigten Platz für den Rad-und Fußverkehr schaffen, sondern sie wollen noch einmal prüfen, ob der Autoverkehr eine Öffnung der Wilhelmsbrücke überhaupt zulasse.” moniert Thijs Lucas, Verkehrsexperte vom Radentscheid Stuttgart. Und weiter: “Es kann nicht sein, dass die Stadtverwaltung immer wieder Beschlüsse des Gemeinderats in Frage stellt. Sie muss endlich so handeln und die Stadt so gestalten, wie es der Gemeinderat fordert. Das ist seit vielen Jahren mehr Platz für den Fuß-und Radverkehr.

    ”Mit der Planung des Rosensteintunnels 2012 wurden 22 Begleitmaßnahmen beschlossen, die den Anwohner*innen sowie dem Fuß-und Radverkehr zu Gute kommen sollten. Die Altstadt von Bad Cannstatt mit ihrem Fachwerk und den kleinen Gassen verdient eine Aufwertung und das geht vor allem über die Anbindung mit attraktiven Fuß-und Radwegen über den Neckar. Nicht zu vergessen die Chancen, die sich für die Bewohnerinnen und Bewohner der Neckarvorstadt ergeben. Die Stadtverwaltung sollte deshalb nicht mit unnötig langen Verkehrszählungen die Begleitmaßnahmen verzögern, sondern möglichst schnell in die Umsetzung gehen. Dazu zählt die schnelle Öffnung der Wilhelmsbrücke für den Fuß-und Radverkehr, sowie eine vom Autoverkehr geschützte Pop Up Bike Lane mit provisorischer Trennung auf der Schönestraße.

    Statt wieder nur Autoverkehr zu zählen, sollte die Stadtverwaltung die Potenziale für den Fuß-und Radverkehr erfassen und umsetzen. Ein paar Meter weiter auf der König-Karls-Brücke zeigen die Verkehrszählungen einen Anstieg des Radverkehrs um 25% allein in 2020. Dort gibt es einen Radweg. Bisher sind in folgenden Städten weitere Aktionen unter #popupweltfahrradtag geplant:

    Bergisch Gladbach, Berlin, Bochum, Esslingen, Flörsheim, Frankfurt a. M., Freiburg, Karlsruhe, Kassel, Koblenz, Köln, Leipzig, Lüneburg, Mannheim, Marl, Mönchengladbach, Nürtingen, Osnabrück, Regensburg, Stuttgart, Wiesbaden, Wuppertal, Weimar. Aufgrund von Terminüberschneidungen finden bzw. fanden in Schwerin, Rostock, Lübeck und Freising Aktionen kurz vor oder kurz nach dem 3. Juni statt.

    Weiterführende Infos zum Aktionstag des BundesRad, dem Bündnis der Radentscheide:

    https://changing-cities.org/der-erste-bundesweite-pop-up-weltfahrradtag

     

    Quelle: Pressemitteilung Radentscheid Stuttgart

     

    Bildergalerie Wilhelmsbrücke Bad Cannstatt, Weltfahrradtag 2021:

    (Quelle Fotos Weltfahrradtag: Christina, Stephan, Thijs)

     

    Video:

     

    (Quelle: Andreas Leitz)

     

    Presseberichte:

    Weltfahrradtag in Stuttgart – Initiative macht Wilhelmsbrücke zur autofreien Zone, Stuttgarter Zeitung, 03.06.2021

    Pop-Up-Radwege und Demos zum Welt-Fahrradtag, SWR, 03.06.2021

  • Der Mobilitätsmix in der Stadt von morgen: Hinein in die Komfortzone!

    Der Mobilitätsmix in der Stadt von morgen: Hinein in die Komfortzone!

    Warum fahren die Leute so gerne mit dem Auto in die Stadt? Es ist der Komfort: Sie können meist direkt vor ihrem Haus einsteigen und losfahren, mögen den Schutz und die Privatsphäre des auf sie abgestimmten Fahrzeug-Raums, und schätzen die Möglichkeit, individuell und zeitlich ungebunden zu ihrem Ziel und zurück zu kommen. Dabei sehen sie großzügig über die Probleme hinweg, nämlich im Stau zu stehen und einen Parkplatz finden zu müssen – oft fernab vom eigentlichen Ziel. Für all das zahlen sie auch noch ziemlich viel Geld.

     
    Die Probleme, die viele vom Auto geprägte Großstädte wie z.B. Stuttgart haben, lassen sich auch nicht so einfach lösen, denn sie sind ein konzeptionelles Problem: Eine Stadt ist für die Menschen da und soll ihnen Wohn- und Lebensraum bieten. Sie ist also nicht eine unbegrenzte Spielwiese für immer mehr und größere Autos, die immer mehr und größere Straßen und Parkplätze benötigen. Das Auto ist als vorrangiges Verkehrsmittel in der engen Stadt also offensichtlich ungeeignet, doch die Menschen lassen so schwer davon los, weil sie die Vorteile kennen, und die Nachteile elegant zu ignorieren scheinen: Zugeparkter öffentlicher Raum, enormer Platzbedarf des Autoverkehrs, Lärm, Schadstoffe und Gefährdung der Mitmenschen, mitten im Lebensraum der Stadtbewohnerinnen  und Stadtbewohner. Sie haben sich in den letzten Jahrzehnten aus ihrem Habitat verdrängen lassen, auf Gehwege, in Parks und in Fußgängerzonen, als Reservate für Menschen in der Stadt. Ein großer Teil des dortigen öffentlichen Raums ist schlichtweg Verkehrsfläche, und den Anwohnerinnen und Anwohnern bleiben Häuser und Gärten – sofern sie so etwas haben. 

    Gehen Sie einmal bewusst durch eine Stadt und verdeutlichen Sie sich die Dimensionen des rollenden und ruhenden Autoverkehrs. Schauen Sie in die Fahrzeuge, dann werden Sie darin oft nur eine Person sehen. Das Auto ist also massen-, energie- und platztechnisch ein höchst ineffizientes Fortbewegungsmittel!

    Ok, Problem erkannt, aber was nun? 

    Alternative Lösungen sind längst bekannt: ÖPNV, Fahrrad und Zu-Fuß-Gehen! Man muss bessere Mobilität in der Stadt nur wollen und machen, jeder von uns! Warum machen wir das dann nicht einfach, woran fehlt es noch? Schauen wir zurück auf die Punkte, die uns beim Auto in der Stadt als klare Vorteile erscheinen:

     

    Direkt vor dem Haus einsteigen:

    Da lachen die Menschen, die in einem dicht besiedelten Innenstadtbezirk wohnen und keinen eigenen Privatparkplatz haben. Für mehr Parkplätze müsste man schon Häuser und Parks plattmachen. So folgt auf die Erinnerung, wo man denn als letztes einen Parkplatz gefunden hat, oftmals ein Fußmarsch ein paar Blöcke weiter. Ein Problem, das Radfahrende nicht haben. Sie finden meist schnell einen Parkplatz, und allein deshalb ist das Fahrrad bei Strecken in der Stadt im Vorteil.

    Die Städte und Unternehmen müssen nur ausreichende Fahrrad-Parkmöglichkeiten einrichten, sicher und idealerweise wettergeschützt. In den Wohngebieten sind es kleine verteilte Einheiten, an zentralen Orten wie Bahnhöfen dann große Parkierungsanlagen, auch in vorhandener Infrastruktur.

    Was den ÖPNV angeht, gibt es in den Innenstädten oft schon eine vergleichsweise große Haltestellendichte, doch auch in den äußeren Stadtbezirken ist diese nötig, zusammen mit einem dichten und abgestimmten Takt. Vielleicht ja sogar in Form eines Taktfahrplans im ÖPNV, bei dem einem nicht die Anschluss-Bahn vor der Nase wegfährt. In örtlichen und zeitlichen Randbereichen kann das System durch Rufbusse ergänzt werden. Haltestellen-Distanz und Fahrplan-Ende dürfen heute nicht mehr Ausschlusskriterien sein, in der Stadt den ÖPNV zu nutzen! Attraktive Preise müssen das Angebot bestärken. Die Entscheidung dafür fällt auch dann leichter, wenn öffentliche Autoparkplätze entsprechend ihrer Kosten bepreist sind und nicht kostenlos oder für zu geringe Gebühren bereitgestellt werden. Während der Handel oftmals schon die Gebühren beim Parken erstattet, sollte er dies auch bei ÖPNV-Tickets tun. 

      
    Schutz und Privatsphäre:

    Das Auto als gefühlt sicherer Panzer, wetterfest und abschließbar, ist ein klarer Vorteil des Automobils. Man muss also versuchen, diese Vorteile auf die anderen Verkehrsmittel zu übertragen oder zumindest durch andere Vorteile aufzuwiegen. 

    Wetterschutz hat der ÖPNV auch, und ist er nahe genug gelegen, dann kommen Sie  auch bei Regen mit guter Kleidung und Schirm trocken dorthin. Zumindest auch nicht nasser, als wenn Sie erst Ihr Auto suchen müssen. 

    Wetterschutz auf dem Fahrrad ist mit guter Kleidung auch möglich, und wenn es gar nicht geht, gibt es ja Bus und Bahn oder das Auto als Alternative. Solche Regentage sind aber wirklich selten. Umso mehr macht es Spaß, sich bei schönem Wetter den Wind um die Nase wehen zu lassen und auf Strecken unterwegs zu sein, die Auto und ÖPNV verschlossen bleiben. 

    Was die Privatsphäre angeht, sind Sie übrigens auch auf dem Fahrrad und zu Fuß meist allein und selbstbestimmt unterwegs. Es fehlt aber in beiden Fällen der Schutz eines Fahrzeugs. Also muss die Stadt selbst sicher sein, technisch und gesellschaftlich! Das ist ein politisches und gesellschaftliches Thema, das uns alle angeht und auf das wir alle Einfluss haben.

    Auf der einen Seite bedeutet das die Einrichtung sicherer und guter baulicher Infrastruktur: Es kann nicht sein, dass Radfahrende und Zu-Fuß-Gehende in ihrem “Lebensraum Stadt” um ihr Wohlergehen fürchten müssen, an den Rand gedrängt vom Autoverkehr. Hier muss die Politik und Verwaltung aktiv werden, mit Nachdruck durch die Bürgerinnen und Bürger. 

    Auf der anderen Seite ist ein sicheres soziales Umfeld wichtig, ohne örtliche und zeitliche Angsträume. Denn auch die schützende Hülle eines Autos müssen wir dann und wann mal verlassen. Die Stadt muss also für alle sicher sein und sie muss einen Wohlfühlort darstellen, ganz einfach. Das gilt auch für den ÖPNV und seine Stationen: Hier kommen, wie im öffentlichen Raum sonst auch, alle gesellschaftlichen Schichten zusammen, und wir müssen alles dafür tun, dass wir respektvoll und friedlich miteinander und mit unserem Umfeld umgehen, gegebenenfalls mit Unterstützung entsprechender Sicherheitsmaßnahmen. Bilden sich hingegen isolierte Gesellschaftsschichten, dann birgt das Spannungspotential und bringt Konflikte – und das ist dann keine gute Gesellschaft mehr. Niemand will am Ende nur noch dann sicher unterwegs sein, wenn man im Auto eingeschlossen ist.

     

    Zeitlich ungebunden nahe ans Ziel kommen:

    Mit dem Auto kommt man zu jeder Zeit überall hin, sagt man. Das mit der zeitlichen Unabhängigkeit mag stimmen, da man nicht an Fahrpläne gebunden ist. Aber wenn Sie im Stau stehen, sehen Sie das anders! Zumal Sie dann nicht wegkommen, sozusagen ans Fahrzeug gefesselt sind, und auch nicht das Auto mitten auf der Straße stehen lassen können, selbst wenn es nur wenige Schritte zum Ziel wären. 

    Da sind Sie mit dem Fahrrad und zu Fuß schon deutlich besser dran! Sie sind gänzlich frei, kommen wirklich überall in der Stadt hin, können beliebig anhalten und spontan Leute treffen, Besorgungen erledigen oder auch in der Gastronomie einkehren. Sie müssen später auch nicht zum Ausgangspunkt zurück, wo das Auto geparkt ist. Das ist übrigens auch ein großer Vorteil des ÖPNV: Sie haben kein Fahrzeug am Bein und werden sogar chauffiert! Die Fahrzeit können Sie zum Arbeiten, Lesen, Musikhören oder Entspannen nutzen. Wenn der ÖPNV in der Stadt ausgebaut wird, an Zuverlässigkeit gewinnt, sicher und erreichbar ist, spricht eigentlich nichts mehr dagegen.

    Beliebige Kombinationen der Verkehrsmittel, unterstützt von Sharing-Systemen und Mitfahr-Möglichkeiten, bringen weitere Vorteile und entlasten sich gegenseitig. Mobilitäts-Apps eröffnen hierbei neue Möglichkeiten. Probieren Sie es einfach mal aus!

     

    Diese Abwägungen zeigen, das kein Verkehrsmittel allein das Optimale ist. Das oft gescholtene Auto ist eine faszinierende technische Errungenschaft mit zweifellos hervorragenden Einsatzfeldern und modernster Technik, auch in Zukunft. Manche Personen, Gewerbe und Institutionen sind zwingend auf diese individuelle Mobilitätsform angewiesen, und auf dem Land sieht vieles auch wieder anders aus, aber beides ist kein Grund, in der Stadt nicht die Mobilitäts-Alternativen zum Auto auszubauen. In der engen Stadt, wo wir den wenigen Platz besser verwenden können und wo es für Personen- und Güterverkehr gute Alternativen gibt, ist das individuelle Kraftfahrzeug selten die Idealbesetzung. Falsche Nutzungsprofile und das Bestehen darauf senken die Akzeptanz und das Image des Automobils und schaden damit auch der Automobilindustrie. Das muss insbesondere auch in der Politik all denjenigen klar sein, die das Auto nach wie vor in großer Zahl in enge Innenstädte drängen. Welchen Raum der Autoverkehr einnimmt können alle sehen, die mit offenen Augen und entsprechend sensibilisiert durch die Stadt gehen. Dabei ist es platzmäßig übrigens egal, welchen Antrieb die Fahrzeuge haben, und auch autonome Fahrzeuge brauchen Platz!

    Es geht nicht darum, ob Sie sich als Autofahrende, Radfahrende oder Zu-Fuß-Gehende sehen oder den ÖPNV nutzen. Schon die Bezeichnungen zeigen, dass das letztlich eine unsinnige und künstliche Unterteilung ist. Denn selbst wenn man Auto fährt, muss man erstmal zu Fuß dorthin kommen, und auch Radfahrende müssen normalerweise den ein oder anderen Schritt zu Fuß gehen oder auch mal ein Auto nutzen. In erster Linie sind wir alle Menschen, die Mobilität wollen, in der jeweils bestmöglichen Form. Dafür müssen Politik, Verwaltung und Gesellschaft die Voraussetzungen schaffen, unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen und im Sinne des Gesamtsystems. Wer das ignoriert und radikal an gestrigen und einseitigen Mobilitätsbildern festhält, verpasst schlichtweg den Fortschritt. In wenigen Jahren werden sich Politik, Verwaltung und Gesellschaft an der umgesetzten Mobilitätswende messen lassen müssen. Dann kann niemand sagen, man hätte nicht davon wissen können. Letztlich beginnt die Mobilitätswende bei uns allen, also auch bei Ihnen! Brechen Sie mit gewohntem Mobilitätsverhalten und probieren Sie bitte die Alternativen aus. Viele von uns werden sie schätzen lernen, und dann haben wir alle gewonnen!

    Dr.-Ing. Matthias Engel, 2021

     

    Die Abbildungen stammen vom Autor, von den Seiten Sehr schick – Radfahren in Stuttgart auf Facebook und @Stuttgart_Radschick auf Instagram.


    Weiterführende Informationen

    So begann es in Stuttgart, als man mit immer mehr Straßen auch immer mehr Autos in die enge Stadt holte:
    SWR Retro – Abendschau “Generalverkehrsplan der Stadt Stuttgart” 1962

    Die Argumentationen und das Vorgehen aus dieser Zeit kommen einem aus heutiger Sicht falsch vor, doch leider scheinen auch heute noch Fehler von damals wiederholt zu werden:
    3D Animation Straßenbauprojekt Rosensteintunnel – YouTube