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  • Überholverbote – Gemeinderat begrüßt schnelle Umsetzung

    Überholverbote – Gemeinderat begrüßt schnelle Umsetzung

    Seit dem 23. März tauchen in Stuttgart immer mehr der Überholverbote für einspurige Fahrzeuge auf, die die Novelle der Straßenverkehrsordnung vorsieht. Diese Verbote machen es für Autofahrende unmissverständlich klar, dass sie Radfahrende an besonders gefährlichen Stellen nicht überholen dürfen. Autofahrer müssen beim Überholen immer mindestens anderthalb Meter Abstand zu Fahrradfahrern halten, besser sind zwei Meter. Diese Werte sind aktuell nicht gesetzlich vorgeschrieben, jedoch durch die Rechtsprechung vorgegeben. Aber auch das kommt mit der neuen StVO.
    Da die Stadt Stuttgart in der Vergangenheit Schutzstreifen so auf die Straßen pinselte, dass sich Autofahrende dazu verleitet sehen, gefährlich eng zu überholen, helfen diese Schilder nun, die einst gemachten Fehler zu korrigieren. “Wo es keine sicheren Radwege gibt” kommentiert Alexander Kotz, der Fraktionsvorsitzende der CDU im Gemeinderat süffisant in Richtung des grünen Baubürgermeisters Peter Pätzold, dürfe er Radfahrende nicht so fahrlässig in gefährliche Situationen bringen. “Besser wäre natürlich gleich etwas Gescheites einzurichten und endlich den vom Radentscheid Stuttgart definierten Stuttgart Standard umzusetzen.” ergänzt er. Aber damit sei wohl nicht vor der anstehenden Oberbürgermeisterwahl zu rechnen. Am Telefon bestätigte der Oberbürgermeisterkandidat der CDU Frank Nopper “Mit mir wird es keine halben Sachen mehr geben. Ich erwarte von meiner zukünftigen Verwaltung, dass sie schnell zu Lösungen findet und vor allem zielstrebig in die Umsetzung geht.” Dass die Stuttgarter Verwaltung nun sogar der Bundesregierung zuvor kommt zeige ihm, dass dort vieles ganz gut funktioniere. “Aber ich will es gleich richtig machen. So eine Flickschusterei wird es mit mir nicht geben. Ich will echte Fahrradstraßen, ohne diese Notlösungen oder gleich richtige Radwege. So breit dass da ein gescheiter Daimler drauf parken kann.” Das dürfe man aber dann natürlich nicht, erklärt er noch zügig, bevor er sich wieder dem Coronavirus in Backnang zuwendet. “Das ist jetzt leider wichtiger.”

    Wie angsteinflößend die Überholvorgänge tatsächlich sind zeigt dieser Twitteruser in einem Zusammenschnitt mehrerer Videos aus seinem Stuttgarter Fahrradalltag.

    Susanne Scherz, die Leiterin der Stuttgarter Straßenverkehrsbehörde, erklärt: “Wir hatten uns damals blind auf die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen verlassen. Die sind der bundesweit anerkannte Minimal-Standard, nach dem Radwege in Deutschland geplant werden.” Heute müsse man anerkennen, dass das ein Fehler gewesen sei und man von Anfang an viel mehr selber gestalten müsse, als sich auf autogerechte Planungsvorgaben zu stützen. Nun freue sie sich über den neuen Stuttgart Standard, der auch über die Grenzen Stuttgarts hinaus das Radfahren einfacher und sicher machen werde. “Wir haben uns damit nicht leicht getan. Die Formulierung haben uns alles abverlangt” erzählt sie von den intensiven Runden mit Gemeinderat und sachkundigen Einwohnerinnen. “Aber so ist das nun mal, wenn wir für alle das beste wollen und nicht einfach nur Radwege, die ausschließlich dem Autoverkehr nützen.” Das sei gelungen und sie ist sicher:  “Vom Stuttgart Standard werden auch Karlsruhe und Freiburg profitieren!”.

    https://twitter.com/Lomovogt/status/1242823260456259584

    Bei den Grünen hingegen gibt man sich zerknirscht. Dr. Christine Lehmann, die den Radentscheid von Anfang an als Stadträtin und Bloggerin begleitete, sagte frisch in die Videokonferenz eingewählt “Es wäre tatsächlich mehr drin gewesen. Das muss man sich mal vorstellen: vor einem Jahr haben uns über 35.000 Menschen mit dem Radentscheid einen ganz klaren Auftrag gegeben und das beste was wir bisher auf die Straße gebracht haben ist etwas Farbe.” Der erst kürzlich für die Mercedesstraße beschlossenen Radstreifen sei so schmal, dass Radfahrende quasi vom Rad gepustet würden, wenn die Lkw dort mit 50km/h und mehr vorbei donnerten. Peter Pätzold, als Baubürgermeister zuständig für die Infrastrukturplanungen in Stuttgart, pflichtete ihr bei “wir machen jetzt alles anders und besser. Noch bis Ende 2019 werden wir 20 Fahrradstraßen einrichten! Und wenn das nicht mehr gelinge – immerhin hängen wir dem Zeitplan schon etwas hinterher – dann schaffen wir das auch trotz Corona in 2020.” Auf jeden Fall würden auf der Theodor-Heuss-Straße noch diesen Sommer beidseitig geschützte Radwege eingerichtet. Vier Meter sollen sie breit werden, “dann kann im Stadtzentrum mit nur noch geringem Ansteckungsriskio Fahrrad gefahren werden. Auch das Überholen ist dann kein Problem mehr.” Zum Schluss schaltet sich Veronika Kienzle, die Oberbürgermeisterinnenkandidatin der Grünen und aktuell Bezirksvorsteherin in Mitte, zu: “Peter, ich hab keine Lust, mich nach der Wahl noch um die Altlasten kümmern zu müssen!” Zielstrebig macht sie weiter: “ich will dann nicht meine Zeit mit ein paar Kilometern Radweg verschwenden. Ich will ein ganzes Netz von Haupt- und Nebenrouten, wie es in anderen Städten längst Standard ist. Und so, wie ihr es bereits 2009 im VEK2030 beschlossen habt. Woran hängt das eigentlich immer noch?” Ein besonderes Anliegen sei ihr Plan “nette Politesse” mit dem sie alle Falschparker auf Fuß- und Radwegen konsequent abschleppen lassen werde.

    https://twitter.com/vollekannette/status/1243091108026093568

    Von Seiten der öko-sozialen Fraktion die FrAKTION ist man weniger optimistisch. Christoph Ozasek legt Zahlen, Daten und Fakten vor. Man sehe deutlich, wie gefährlich das Radeln auf Stuttgarts Straßen sei. Für die Grünen im Brennstoffzellen-SUV mag das kein Problem sein, aber nicht jeder bekomme so ein Auto aus Untertürkheim gestellt. Andere müssten jetzt erst recht Rad fahren, immerhin würden die Kapazitäten in den Bahnen nicht annähernd ausreichen, um die Leute zur Arbeit zu bringen und Ansteckungen zu verhindern. Ein Lob für die Stadtverwaltung entglitt ihm in dem Zusammenhang dann doch. “Dass die Stadtverwaltung mal so schnell und proaktiv handelt habe ich in meinen bald sechs Jahren als Stadtrat nicht erlebt”. Hannes Rockenbauch schlägt noch vor, das Überholverbot für Radfahrende auch auf Autobahnen anzuwenden, das würde letztendlich dazu beitragen den Welttreibhausgasausstoß zu reduzieren.

    In eine ähnliche Kerbe schlagen Martin Körner – auch er kandidiert für das Oberbürgermeisteramt – und Lucia Schanbacher, die radpolitische Sprecherin der SPD. Es kann nicht sein, dass Leute, “die jetzt weiter schaffen müssen und sich keinen dicken Daimler leisten können, stets damit rechnen sollen auf dem Weg ins Geschäft vom Rad geholt zu werden, weil einige Öko-SUV-Fahrer auf ihren Wegen vom Bäcker zurück ins Home Office nicht aufmerksam genug sind.” Körner erwähnt noch, dass er einer der ersten war, die geschützte Radwege für Stuttgart forderte. Technikbürgermeister Thürnau habe schon den Bauarbeiterhelm auf und den Spaten in der Hand, um endlich loszulegen. “Das,” ergänzt Schanbacher “wäre dann auch eine Lösung nicht nur für die Arbeiter, sondern auch für alle Kinder auf dem Weg in die Schule und in die Kita.”

    Für die Stadtisten und die Fraktion PULS meldet sich Katharina Doedens zu Wort. Sie fürchtet, dass sie mit den Überholverboten, die nur für Kfz gelten, auf ihrem Rennrad hinter den lahmenden Autos festhängen wird. Auf den Radwegen sind dann die langsamen Radfahrer unterwegs. “Ich finde es klasse, dass immer mehr Menschen aufs Rad finden und damit Stuttgart noch lebenswerter machen” freut sie sich. Nur dann würde es für schnelle RadlerInnen noch schwerer an den Autostaus vorbeizukommen. “Aber was soll man machen? Sicherheit geht vor. Das gilt selbstverständlich auch für Radfahrer.” Ihre Wählervereinigung debattiere derzeit, ob man das Problem nicht unkompliziert lösen könne, indem man einfach Autos in Stuttgart verbiete oder ob es sinnvoller sei, Autos nur noch halb so breit zuzulassen. “In den Autos sitzt selten mehr als eine Person und zu zweit kann man auch gut hintereinander fahren.” Wer mal ein Tandem gesehen habe, wüsste das. “Und wenn die Autos nur noch halb so breit wären, dann ist das Überholen mit 1,5 Metern Sicherheitsabstand selbst an Engstellen wie im Kaltental kaum noch ein Problem”.

    Hinten in der äußersten Ecke des Videokonferenzraums steht jemand auf und verschüttet dabei brauen Soße von einem Teller Spätzle. Sibel Yüksel, Fraktionsvorsitzender der FDP, schreitet ein und klärt ruhig und sachlich auf “Nazis raus!”, dann bricht die Verbindung zur Videokonferenz ab. Der Stream wurde gekapert. “Das Passwort war offenbar zu leicht zu knacken!” Im Bild sind nun in Lycra gekleidete Gestalten. Sie tragen bunte Neonwesten und Fahrradhelme mit Lampen und Kameras bestückt. Sie verschränken die Arme und gucken böse. “Vielen Dank und einen wunderfröhlichen 1. April wünschen die pazifistischen Kampfradler vom Zweirat!” dann stürzt das Internet ab.

    Zum Hintergrund

    Hier beschreibt das Bundesverkehrsministerium alle anstehenden Änderungen in der StVO:
    https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/stvo-novelle-bundesrat.html

  • Pressemitteilung – Provisorische Radinfrastruktur für Stuttgart

    STUTTGART Der Radentscheid Stuttgart und der ADFC Stuttgart fordern den Gemeinderat der Stadt Stuttgart auf, an den mehrspurigen Hauptverkehrsstraßen je einen rechten Fahrstreifen, ab sofort temporär, für die Dauer der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg, in einen Radfahrstreifen umzuwidmen. Andere Städte wie z.B. Berlin tun das bereits, um Menschen eine sichere Fortbewegung zu ermöglichen.

     

    „Gegen die Corona-Pandemie müssen jetzt drei Dinge geschehen. 1. Ausbreitung verlangsamen, 2. Kapazität im Gesundheitssystem steigern, 3. zusätzliche Belastungen der Krankenhäuser reduzieren.” zählt Thijs Lucas vom Radentscheid Stuttgart auf, “Radfahren ist dafür eine einfache und sichere Möglichkeit, wohnortnah mobil zu sein, sich dabei zu bewegen und sportlich zu betätigen.” Der Stuttgart Standard, ein mit den Stuttgarter  Fahrradinitiativen, dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung abgestimmter Mindeststandard für Radverkehrsprojekte, würde den nötigen Abstand zu anderen Menschen durch breite Radfahrstreifen ermöglichen.

    Sind die Menschen auf den für sie weiterhin erforderlichen Wegen mit dem Rad unterwegs, ergibt sich ein geringeres Ansteckungsrisiko als bei einer Fahrt im öffentlichen Nahverkehr oder mit mehreren Personen im Auto. „Wenn so viele Menschen wie möglich Radfahren, schützen sie die Personen, die auf den Nahverkehr besonders angewiesen sind. So müssen sie nicht so dicht gedrängt zusammen sitzen oder gar stehen“, fügt Frank Zühlke vom ADFC Stuttgart hinzu. Wegen der aktuellen Schließung zahlreicher öffentlicher und privater Betriebe für den Publikumsverkehr seien wesentlich weniger Menschen mit dem Auto unterwegs. Im Gegenzug nutzen mehr Menschen das Fahrrad oder gehen zu Fuß. Der ADFC Stuttgart wertet die Daten der Stuttgarter Radverkehrszählstellen regelmäßig aus und zeigt für Mitte März bereits einen Anstieg um 25% im Vergleich zum Vorjahr. “Daher halten wir eine zügige Trennung von Naherholung und Pendlerverkehr besonders im Schlossgarten für dringend geboten” so Zühlke. Dies könne vor allem durch die auf B27 und B14 freigewordenen Verkehrsräume erreicht werden, ergänzt er.

    Dass nun mehr Fahrrad gefahren wird, hat auch Christina Müller beobachtet, die das Rathaus als stellvertretende sachkundige Einwohnerin des Radentscheid Stuttgart berät. “Ich fahre ja nicht erst jetzt mit dem Rad, momentan aber dreimal so weit wie sonst, und habe festgestellt: Man lächelt oder nickt sich von Radfahrer_in zu Radfahrer_in nun öfter mal solidarisch zu” erlebt sie auch positives. Normalerweise fährt sie von Stuttgart-Ost mit dem Rad zum Hauptbahnhof und von dort bis Ditzingen mit der S-Bahn zur Arbeit. Jetzt radelt sie die gesamte Strecke. “Wer durch Feuerbach will, kommt um die B295 praktisch nicht herum – die hat bestenfalls einen stellenweise breiteren, für Räder freigegebenen Gehweg, von echter Radinfrastruktur ganz zu schweigen.” Michael Schenker bemerkt auf Twitter, dass zwar weniger Autos fahren, diese dafür aber schneller und mit weniger Rücksicht beim Überholen unterwegs seien: “Es sind weniger KFZ geworden. Das erhöht die Durchschnittsgeschwindigkeit. Rasen und posen ist wieder salonfähig und Überholabstand scheint komplett vergessen zu sein.”

     

    Breite und sichere Radwege sind wichtig – um das Abstandhalten zu anderen Personen zu ermöglichen, aber auch, um die Unfallzahlen so gering wie möglich zu halten, damit das Gesundheitssystem seine Kapazitäten in die Behandlung von Patienten mit Covid-19 und anderen akuten Erkrankungen investieren kann. Deshalb solle je ein rechter Fahrstreifen aller mehrspurigen Straßen in Radwege nach dem Stuttgart Standard umgewandelt werden. Hier die wichtigsten Straßen:

     

    • B14 zwischen Cannstatter Wilhelmsplatz und Marienplatz
    • Theodor-Heuss-Straße, Rotebühlstraße und Rotenwaldstraße
    • B27 Friedrichstraße, Heilbronner Straße über Pragsattel bis zur Ludwigsburger Straße
    • Arnulf-Klett-Platz, Schillerstraße
    • Kriegsbergstraße, Holzgartenstraße
    • Pragstraße
    • B295 zwischen Pragsattel und Tunneleinfahrt in Feuerbach
    • Mercedesstraße
    • Talstraße
    • Neue / Obere Weinsteige
    • Pischekstraße, Jahnstraße bis Ruhbank

     

    Temporäre Radfahrstreifen können mit herkömmlichem Material zur Verkehrssicherung von Baustellen binnen weniger Stunden eingerichtet werden. Gelbe Fahrbahnmarkierung, Leitbaken und Leitschwellen zum Schutz vor falsch abgestellten Kraftfahrzeugen sind kurzfristig über die städtischen Bauhöfe und Fachfirmen verfügbar. Vorbilder findet der Vorstoß in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá, wo kurzfristig 117 km neue Radverkehrsführung im Hauptstraßennetz geschaffen wurden, in Mexico City sowie in Berlin. In der deutschen Hauptstadt wurde im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg der erste temporäre Radfahrstreifen nach kolumbianischem Vorbild dem Verkehr übergeben.

    Da sich in Berlin bereits zeigt, dass selbst Radwege zum Seuchenschutz zum Falschparken missbraucht werden, hält die Initiative Radentscheid Stuttgart eine Überwachung durch die Polizei Stuttgart und die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Stuttgart für notwendig, um möglichen Missverständnissen und Uneinsichtigkeiten von Falschparkern vorzubeugen.

     

    Verweise:

    Pilotprojekt für temporäre Radfahrstreifen während Corona-Krise

    Pressemitteilung vom 25.03.2020, Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin

    https://www.berlin.de/sen/uvk/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.911916.php

    Regelplaene_Radverkehrsanlagen aus Berlin

    Fotos der neuen Radverkehrsführung in Berlin auf Twitter

    https://twitter.com/SenUVKBerlin/status/1242859043716202498

    Radeln gegen Corona und für die Gesundheit

    https://www.tagesspiegel.de/sport/liveblog/tagesspiegel-fahrradblog-radeln-gegen-corona-und-fuer-die-gesundheit/19996818.html

    Bogotá verwandelt Straßen in Fahrradwege

    Spiegel Online vom 22.03.2020

    https://www.spiegel.de/auto/corona-fahrraeder-duerfen-in-bogota-pkw-fahrspuren-nutzen-a-b9a4f78e-4a91-450e-a14d-63b37807b19a

    Temporäre Radfahrstreifen in Mexico City

    https://twitter.com/AlcaldiaMHmx/status/1242579727333748737

     

    Download der Pressemitteilung als PDF

  • Radentscheid Stuttgart prangert gefährliche Unfallkreuzung in Stuttgart-Ost an

    Am Montag, dem 20. Januar 2020, um 16:30 Uhr wird der Radentscheid Stuttgart mit einem Fahrrad-Flashmob auf die für Radfahrende gefährliche Verkehrsführung an der Kreuzung Klingenstraße / Talstraße im Stuttgarter Osten aufmerksam machen. Die Bürgerinitiative fordert die Stuttgarter Politik und Verwaltung auf, die Kreuzung (sowie vergleichbare Knotenpunkte) unverzüglich für Rad- und Fußverkehr sicherer zu machen. Am Mittwoch, dem 22.1., wird ein entsprechender Antrag der Fraktion PULS im Bezirksbeirat Ost diskutiert werden.

    Die bisherige Verkehrsführung dort dient primär der Leichtigkeit des Autoverkehrs, Radfahrer_innen werden aber insbesondere durch abbiegende Autos, die ihnen die Vorfahrt nehmen, tagtäglich gefährdet. „Der Gemeinderat hat mit dem Zielbeschluss versprochen, die Sicherheit der Radfahrenden zu verbessern und Unfallursachen in der Infrastruktur so schnell wie möglich zu beseitigen. Die Stadt muss dringend handeln, bevor an dieser Kreuzung der erste Mensch zu Tode kommt“, sagt Christina Müller von der Initiative Radentscheid Stuttgart.

    Hintergrund: zwei verletzte Radfahrer_innen in drei Wochen

    Am 3. Dezember 2019 gegen 23 Uhr wurde eine Stuttgarter Radfahrerin beim Überqueren der fraglichen Kreuzung von einem linksabbiegenden Auto angefahren und schwer verletzt. Die Stuttgarter Medien berichteten (https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/110977/4458991). Nur wenige Wochen zuvor war an derselben Stelle ein 65-jähriger Radfahrer bei einer Kollision mit einem rechtsabbiegenden Kfz leicht verletzt worden. (https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/110977/4442925) Tagtäglich entstehen an dieser vielbefahrenen Kreuzung untragbare Gefahrensituationen für Radfahrende. Von 2016 bis 2018 hat es laut Unfallatlas dort bereits vier weitere Unfälle mit Fahrradbeteiligung gegeben.

    Der Stuttgarter Gemeinderat hat sich in seinem Zielbeschluss zur Fahrradstadt vom Februar 2019 dazu bekannt, dass die Verwaltung die Infrastruktur an Unfallorten unverzüglich prüfen und verbessern muss, um die Sicherheit der Radfahrenden zu verbessern.

    „Es kann nicht sein, dass wir die Verwaltung erst auf solche Unfallkreuzungen hinweisen müssen und dann lapidar damit abgespeist werden, an der Stelle könne man leider nichts machen. Technisch gibt es viele Möglichkeiten. Aber verwaltungspolitisch hakt es“, betont Thijs Lucas vom Radentscheid Stuttgart. Die Bürgerinitiative fordert die Stadt daher dringend auf, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen. „Der Beschluss des Gemeinderats nimmt ganz klar die Verwaltung in Verantwortung und fordert Eigeninitiative bis zur Problemlösung ein. Eigentlich muss das ein Selbstläufer sein“, sagt Lisa Röthinger, die sich ebenfalls beim Radentscheid engagiert.

    Pressevertreter_innen sind sehr herzlich zum Ortstermin am 20.1. um 16:30 Uhr an der Kreuzung Klingenstraße / Talstraße sowie zur Bezirksbeiratssitzung Stuttgart-Ost am 22.1. um 18:30 Uhr eingeladen.

    Rückfragen bitte an

    Christina Müller (Radentscheid Stuttgart) mobil: 0176/84171410

  • Singapur: keine neuen KFZ

    Im asiatischen Stadtstaat Singapur gibt es etwa 570.000 KFZ bei ca. 5,6Mio Einwohner:innen. Das ist eine Quote von ungefähr 10%. In Deutschland ist diese Quote meist bei 40-50%; Stuttgart hat gut 303.000 Autos (Quelle) bei 614.000 Einwohner:innen (Quelle – also 49%). Und obwohl es dort so relativ wenige Autos gibt, ist es für die Menschen dort zu viel. 2018 wurde eine neue Regelung eingeführt, bei der keine neuen Autos mehr zugelassen werden durften. Ein neues Auto darf man dort nur noch zulassen, wenn ein altes dafür abgemeldet wird.
    Sowohl bei der ARD als auch beim ZDF wird darüber berichtet, dass eine solche Registrierung für ein neues Auto 35.000€ oder 80.000$ kostet, während sie lediglich 10 Jahre lang gültig ist und nur per Losverfahren vergeben wird.

  • Toronto: Umsatzsteigerung nach Streichung von Parkplätzen

    In der kanadischen Metropole Toronto wurde jahrelang für den Radweg entlang einer großen Hauptverkehrsstraße gekämpft. Als 2016 dann endlich 136 Parkplätze auf einem 2,4km langen Stück der Bloor Street entfielen, wurde vom Handel und den Restaurants Umsatzeinbußen befürchtet. Allerdings ist das Gegenteil passiert. Es kamen mehr Kunden, die dazu noch mehr Geld ausgaben. Vergleiche mit ähnlichen Straßen zeigten, dass die Umsatzsteigerung dort geringer ausgefallen ist.

    Bei der Welt kann man die Nachricht dazu lesen, es gibt auch einen Link zur wissenschaftlichen Studie, die zu dem Schluss kam, dass dieser Radweg einen neutralen bis positiven Effekt auf die lokalen Geschäfte hat.

  • Madrid: Umsatzsteigerung nach Sperrung für Autos

    Die Stadt Madrid hat im Weihnachtsgeschäft 2018 die Innenstadt für KFZ gesperrt. Dass man dabei selbstverständlich eine Verbesserung der Luftqualität beobachten konnte, sollte eigentlich nicht der Rede Wert sein. Dazu kam jedoch noch eine Umsatzsteigerung der lokalen Geschäfte hinzu.

    Nach einer Studie einer Großbank stiegen in den autofreien Gebieten die Verkaufszahlen um 9,5%, während sie in der restliche Stadt lediglich um etwa 3% stiegen, wie in der schweizer Handelszeitung zu lesen ist.

  • Baustelle Birkenwaldstraße

    Baustelle Birkenwaldstraße

    Die Stadt baut mal wieder. Diese Baustelle ganz oben an der Birkenwaldstraße, kurz vor der Kunstakademie hat unsere Aufmerksamkeit angezogen. Prinzipiell ist eine Spur gesperrt, die übrige Spur wird mit einer Ampelschaltung im Wechselverkehr geregelt. Soweit nichts besonderes, das passiert öfters.

    Was hier aber echt sonderbar ist: Das Geh- und Radweg-Schild fast nicht sichtbar hinter der Ampel, mit dem grünen Pfeil markiert. Es gibt eigentlich Regeln dafür, wie man Schilder aufstellt, die in der Verwaltungsvorschrift zur StVO niedergeschrieben sind. Dort kann man buchstäblich lesen: „Verkehrszeichen sind gut sichtbar [….] anzubringen“ (und vermutlich nur für den Fall gedacht, dass man da irgendwie echt nicht selbst drauf kommt).
    Scheinbar kennt niemand der oder die dafür bei der Stadt Stuttgart dafür verantwortlich ist, diese Regeln.

    Und natürlich ist ein Baustellen-Fahrzeug nicht weit und parkt mitten auf diesem Geh- und Radweg. Weiter hinten sieht man noch anderes Zeug auf dem Weg stehen und der Schilder-Fuß des blauen Schildes ist eigentlich auch im Weg. Das kann man doch alles nur so machen, wenn man bestenfalls Radfahrer:innen und Fußgänger:innen vollständig ignoriert oder sie absichtlich schikanieren will.
    Was das Umleitungsschild hier soll ist unklar. Was es auf dem Geh- und temporären Radweg soll, ist erst recht rätselhaft. Man könnte es problemlos auf die gesperrte Spur stellen. Schließlich gilt es auch für den KFZ-Verkehr und nicht für die Fußgänger:innen.

    Nur wenige Meter nach diesem Schild ist wieder einer dieser so typischen Falschparker in Stuttgart. Wie soll man dort noch vernünftig vorbeikommen? Soll hier wieder die alte Regel „Absteigen und schieben“ greifen?

    Egal, wann man dort vorbeikommt, dort parkt eigentlich immer jemand.

    Wenn man dort vorbei ist wartet gleich die nächste Schikane auf die Radfahrer:innen. Hier ist ein Bordstein mitten auf dem Weg. Natürlich passt man als Radfahrer:in auf, weil man solche Problemstellen aus der ganze Stadt kennt und man es leider nirgendwo nur gemütlich rollen lassen kann. Wäre eine solche Stufe auf irgend einer Fahrbahn, wo auch Autos fahren, die Straße wäre sofort gesperrt, man arbeitete „mit Hochdruck daran“ (Quelle) und innerhalb weniger Tage, wenn nicht Stunden, wäre das Problem gelöst. Bei Radverkehr interessiert sich niemand für problematische Stellen, ganz im Gegenteil, sie werden absichtlich und vorsätzlich erschaffen.
    Wenn man hier herumgekurvt ist, hat man nur noch vier Bordsteinkanten im Weg und man freut sich schon, dass es abgesenkte Bordsteine sind. Wir erinnern uns, dass die Stadt das auch ganz anders kann und Radweg über hohe Bordsteine legen kann.

    Überraschung! Unsere Umleitung führt uns jetzt direkt in die Baustelle rein. Hier wurde die oberste Schicht des Asphalts abgefräst. Fräskanten und Haufen voller Asphalt-Reste sind jetzt unsere Hindernisse.

    Und auch hier wieder ein Falschparker von der Baufirma. Man kann jetzt probieren, ob man gerade noch auf dem schmalen Platz vorbei kommt, der dankenswerterweise noch freigelassen wurde. Dabei wird man wohl noch über den recht hohen Schachtdeckel fahren müssen – aber auch das kennt man zu genüge aus der Stadt.

    An einem anderen Tag steht ein Auto vom Tiefbauamt auf diesem Geh- und Radweg. Es ist unerklärlich, wie die Mitarbeiter:innen der Stadt bei mehr als genug freiem Platz dennoch irgendwie auf den Wegen von Fußgänger:innen und Radfahrer:innen parken müssen. Gibt es eine Anweisung bei der Stadt, die so etwas vorschreibt? Eine andere Erklärung ist auch mit Phantasie schwer zu finden.

    Dann haben wir es schon geschafft und könnten ungestört auf dem Gehweg weiterfahren. Aber nebenan sind zwei gut ausgebaute Fahrspuren in unsere Richtung. Wir fahren also den hohen Bordstein runter, lassen den Fußgänger:innen ihren Weg und hoffen, dass uns im Autoverkehr nichts passiert.

    Nach dem ersten Mal auf dieser abenteuerlichen Alternativ-Route beschließen wir, dieses blaue Schild in Zukunft zu ignorieren, auch wenn man dadurch die Ampel sparen könnte. Wir werden weiterhin auf der Straße fahren, wo es keine Falschparker, keinen aufgerissenen Asphalt, keine Haufen, keine Bordsteine oder sonstige Kanten gibt!
    Bei all der Aufregung haben wir gar nicht mehr darauf geachtet, wie es wohl für die andere Richtung gelöst war.

    Stuttgart hat noch einen sehr weiten Weg, um von dem Status Autostadt wegzukommen.

     

  • Zahlen über Kreuzungen und Einmündungen

    Zahlen über Kreuzungen und Einmündungen

    Zu unserem letzten Bericht über den Test des ADAC (hier die Details dazu) bzgl. der „Radfahrsicherheit an Kreuzungen und Einmündungen“ wurde uns vorgeworfen, dass dort viel zu wenige Fakten enthalten seien. Natürlich geht es dabei viel um Meinungen, denn Fakten sind in solchen Lobby-Diskussionen bloß störend. Allerdings wollen wir hier mal darlegen, wie man zu der Meinung kommt, dass gerade der Radweg zum Pragsattel hoch, bzw. runter, definitiv nicht als „tendenziell positiv“ zu bewerten ist.

    Wir sind also nochmal zu diesem Radweg gefahren, der im Ergebnis des ADAC mit zwei von drei Nennungen positiv erwähnt wurde und haben uns das mal genauer angeschaut. Diese Situation wird positiv dargestellt. Dass es ein Zweirichtungsrad-& Gehweg ist, ignoriert der ADAC hier einfach. Die KFZ achten üblicherweise auf den Auto-Verkehr von links und weniger auf Fußgänger:innen und Radfahrer:innen von rechts. Wie auch, durch den Zaun und das Werbeschild ist es ja auch gar nicht möglich, nach rechts zu schauen.

    Wenn man sich überlegt, wie man dort überhaupt hinkommt, ist kurz vorher dieser Überweg. In Stuttgart selbstverständlich mit Bettelampeln ausgestattet, die nicht zusammen geschaltet sind. Hier zu sehen, dass eine Ampel grün, die andere rot ist. Das wäre nicht besonders relevant, denn es ist hier noch kein Radweg. Auf jeden Fall hat die mehrspurige Bundesstraße (hier von rechts kommend) sehr lange Grünphasen, während man dementsprechend lange bei rot auf das Fußgänger-Grün warten muss.

    Und noch etwas davor sieht man, wie man eigentlich zu diesem Radweg kommen soll. Es ist eine zweispurige Straße, der Gehweg wurde ein bisschen mit Asphalt aufgeschüttet. Ob das eine Einladung an die Radfahrer:innen sein soll, ihn doch zu benutzen, weil sie sonst den „guten Auto-Verkehr stören“? Man weiß es nicht genau. Es wäre auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, hier eine vernünftige Radinfrastruktur einzurichten, es gibt mehr als genug Platz und es ist ein wichtiger Knotenpunkt für die nördlichen Stadtteile (wie z.B. Zuffenhausen oder Stammheim) und Städte (wie Kornwestheim oder Ludwigsburg).

    Genug vom Ausflug zum Beginn des Radwegs. Wenn man also an der positiv genannten Stelle (ganz oben) weiter geht, kommt man nach wenigen Meter schon an den nächsten Überweg. Markierungen fehlen hier komplett, sowohl die Einfahrt als auch die Ausfahrt haben keine. Und es gibt wieder eine große Werbetafel, die versucht, die Aufmerksamkeit der Autofahrer:innen vom Straßenverkehr abzulenken.

    Kurz drauf dann wieder eine Ampel-Kreuzung. Man muss hier drei Ampeln überqueren, die alle mit dem gelben Bettelknopf ausgestattet sind. Die parallel fahrenden Autos haben grün, die Fahrräder und Fußgänger:innen müssen dennoch warten.
    Kurz danach dann ein weiterer Übergang. Es ist eigentlich nur die Ausfahrt des Autohauses. Allerdings haben schon viele Autofahrer:innen entdeckt, dass man diesen Parkplatz nutzen kann, um die eben beschreibene Ampel einzusparen. Wer dort öfters auf dem parallel verlaufenden Radweg fährt, kann das sicherlich bestätigen.
    Besonders brisant an dieser Ausfahrt sind die Schilder, die genau im Sichtbereich aufgestellt sind. Wenn ein Auto dort raus fahren will, kann es anrollende Radfahrer:innen überhaupt gar nicht sehen, weil sie hinter den Schildern verborgen bleiben. Wie kann man sowas planen, genehmigen und umsetzen? Und wie kann man einen Radweg mit solch einer Schwäche als „tendenziell positiv“ bewerten?

    An der anderen Seite dieses Autohauses kommt schon der nächste Überweg.
    Und schon wieder eine Kreuzung. Selbstverständlich muss dort auch wieder eine Bettelampel stehen.

    Als nächstes kommt die Waschanlage. Auch hier sind wieder riesige Werbe- und Preisschilder, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nagut, die Einfahrt ist rot angemalt.

    Die Ausfahrt ist ebenfalls rot. Allerdings sieht man hier wieder deutlich, dass Farbe nicht schützt. Selbst dieses sehr kleine Auto blockiert den Geh- und Radweg etwa zur Hälfte, während es darauf wartet, sich in den fließenden Verkehr einzufädeln. Für Radverkehr aus beiden Richtungen wird es nun schon eng, trotz dieser roten Farbe.

    Als nächstes kommt wieder ein Autohaus mit einer Einfahrt.
    Und wenn wir schon beim Autohaus sind: Dort werden die Autos inzwischen täglich im Gras geparkt. Und wenn sie mal auf den Geh- und Radweg überstehen, wird man wohl das Standard-Argument bringen, dass man als Radfahrer:in doch auch mal Rücksicht nehmen könne. Was nichts anderes bedeutet, als dass hier das Recht des Stärkeren durchgesetzt wird.
    Die zweite Einfahrt dieses Autohauses fällt zusammen mit dieser Einfahrt in die Tiefgarage des nächsten Gebäudes. Bei dieser Einmündung sind also drei Fahrspuren, die über den Geh- und Radweg führen.

    Beim nächste Gebäude wird dann noch eine Spur drauf gelegt. Jeweils zwei Spuren für die Ein- und Ausfahrt für ein Parkplatz und eine Tiefgarage.
    Besonders kritisch sind diese drei Extra-Parkplätze. Sie können nur über diesen Geh- und Radwg erreicht werden. Was der Sinn davon ist, wenn man auch den richtigen Parkplatz oder die Tiefgarage nehmen könnte, bleibt offen.

    Dann kommt die Tankstelle. Auch hier hat man eine große Preistafel und eine blaue Werbesäule, die um Aufmerksamkeit buhlen. Und der Brückenpfeiler steht so im Weg, dass man als Radfahrer:in von den ausfahrenden Autofahrer:innen auch nur schlecht gesehen werden kann.

    Aber die Autofahrer:innen haben beim Verlassen der Tankstelle nicht nur Probleme nach links zu schauen. Auch nach rechts, wo potentiell schnellere Radfahrer:innen den Berg herunter fahren, können sie nicht schauen. Dort ist ein Absatz für den Parkplatz des nächsten Autohauses.

    Und selbstverständlich hat dieses Autohaus auch wieder Ein- und Ausfahrten über den Radweg. Hier sind die ersten zwei.

    Und dann noch eine für die Tiefgarage und den Parkplatz. Der eine Satz von Pfeilen ist seit einer Baustelle nicht mehr ganz vorhanden, die Fahrrad-Piktogramme kaum noch sichtbar.

    Jetzt sind wir schon an der letzten Einmündung auf diesem Geh- und Radweg, wo auch wieder eine Werbesäule steht.

    Oben am Pragsattel angekommen, kann man sich nun überlegen, welchen Umweg man nun nimmt. Ob man rechts über vier (teilweise Bettel-) Ampeln an der U-Bahn-Station „Pragsattel“ vorbeiradeln will, wo es recht eng ist, oder ob man über drei Ampeln nach links auf die andere Straßenseite weiterfahren will.

    Wenn man nun die Ein- und Ausfahrten auf dieser 1,5km langen (besser gesagt kurzen) Strecke zählt, kommt man auf ganze sechzehn (16) Stück, dazu noch vier Ampeln. Insgesamt sind es ganze 20 Kreuzungen und Einmündungen auf dieser kurzen Strecke. Man kommt als Radfahrer:in also etwa 75m weit, bis man wieder aufpassen muss, ob man von potentiell querenden Autofahrer:innen gesehen wird.

    Ein solcher Radweg kann doch nicht als „tendenziell positiv“ angesehen und dazu noch als Positivbespiel genannt werden!

     

  • Status: Fahrrad-Garagen

    Vor recht genau einem Jahr haben wir etwas konkreter angefangen, uns um die geplanten Fahrrad-Garagen in der Stadt Stuttgart zu kümmern. Wir sammelten hunderte von Adressen, um die geplanten „Fünfer-Gruppen“ zusammen zu bekommen und kartierten sie; diese Gruppen wurden von der Stadt Stuttgart angepeilt, um solche gemeinsam genutzten Fahrrad-Garagen zu beantragen.
    Alle Details darüber gibt es im Blogbeitrag vom letzten Oktober.

    Seitdem hat OB Kuhn jedoch noch die „echte Fahrradstadt“ ausgerufen und der Gemeinderat hat auch einen Zielbeschluss dazu verfasst. Inzwischen hat die Stadt in einem Radforum mal kurz über diese geplanten Garagen gesprochen. Leider gibt es bis heute keine Details darüber, wie das Konzept konkret umgesetzt werden könnte/soll.
    Mehr Informationen liegen uns aktuell auch nicht vor.

    Genau dieses Konzept wurde bereits anderswo so oder ähnlich umgesetzt, beispielhaft seien mal diese Städte genannt:

    • in Oslo konnte man sich bis zum 28.6. dieses Jahres bewerben und jetzt werden dort verschiedenen Konzepte umgesetzt
    • in Dortmund läuft es auch schon, hier gibt es mehr Infos dazu
    • in Frankfurt ebenfalls, wie hier zu lesen ist
    • in London auch, wie dieser Tweet zeigt
    • auch aus Brüssel sind solche Tweets bekannt, hier werden die Garagen offenbar leider auf den Gehwegen gebaut

    Andere Städte bauen gleich riesige Parkhäuser für Fahrräder, wie z.B. Utrecht oder Karlsruhe.
    Wieder andere schaffen wenigstens durch Poller auf den Parkflächen Platz für Fahrradparkplätze, wie es beispielhaft hier in Lyon zu sehen ist.

    Stuttgart hat bis jetzt lediglich zwei mal zwei Bügel für Lastenräder (hier zwei Bilder) und einen kleinen Fahrrad-Parkplatz vor dem Cafe Babel. Und hier und da mal noch ein paar Radbügel auf Gehwegen und in Fußgängerzonen. Also nichts, was dem Anspruch einer Fahrradstadt gerecht wird.

  • Stuttgart sei „tendenziell positiv“

    Stuttgart sei „tendenziell positiv“

    Der ADAC hat einen bundesweiten Test durchgeführt und dabei angeblich festgestellt, dass die Radfahrsicherheit an Kreuzungen und Einmündungen in Stuttgart „tendenziell positiv“ abschneide; mehr dazu gibt es hier.
    An diesem Testverfahren gibt es natürlich mehrere Kritikpunkte.

    • 13 Routen in der Großstadt zu testen ist auf jeden Fall deutlich zu wenig; besonders wenn diese Routen nicht mal fünf Kilometer lang sind. Das ganze Straßennetz in Stuttgart hat 1500km (Quelle), es gibt 23 Stadtbezirke. Da sind diese 13, relativ kurzen Routen sicherlich kein repräsentativer Querschnitt.
    • Sich lediglich auf Kreuzungen und Einmündungen zu konzentrieren ist viel zu wenig. Was bringt es mir, wenn ich über eine handvoll Kreuzungen halbwegs sicher fahren kann, wenn es danach nicht mehr weitergeht, der Radweg plötzlich endet (wie z.B. auf der Theo-Heuss-Straße) oder ich überhaupt keine Möglichkeit habe, ungefährdet bis zu diesen angeblich sicheren Abschnitt komme.
    • Im engen Stuttgart mit einigen Straßen, die z.B. durch die Straßenbahn nur einspurig zu befahren sind, kommt ein weiterer relevanter Punkt dazu: ungenügender Überholabstand. Sei es z.B. auf der Neckarstraße, der Hackstraße, Bebelstraße oder dem Kaltental – überall hier wird teilweise ohne Rücksicht auf die Radfahrenden überholt, obwohl überall dort ein „faktisches Überholverbot“ gilt.

    Das erste positive Beispiel, das der ADAC in seinem Beitrag nennt, ist die Altenburger Steige (OpenStreetMap). Wie dies zu einer repräsentativen Strecke auserkoren wurde, bliebt schleierhaft. Im etwa 4km-Radius kommt man höchstens von Bad Cannstatt dorthin. Vor Kurzem war ein Teil dieser Radspur noch zugewachsen. Die komplette Strecke ist lediglich durch einen, auf die Straße gemalten weißen Streifen „geschützt“, was in Belgien schlicht „Mordstreifen“ genannt wird. Farbe bietet einfach keinerlei Schutz. In den Serpentinen nutzen die Autos gerne mal etwas mehr Platz als nötig und fahren dann auf den Schutzstreifen, um bei auftauchenden Radfahrern mit quietschenden Reifen doch noch auszuweichen.
    Vermutlich wurde diese Strecke lediglich danach ausgewählt, weil es eine der wenigen ist, auf der halbwegs ausreichend Platz für legale Überholvorgänge mit genügend Abstand vorhanden wäre.

    Danach kommen zwei Bilder von der Auffahrt auf den Pragsattel. Diese erste Parkplatz-Ausfahrt ist zwar rot markiert, aber vermutlich musste jede*r Fahrrad-Pendler*in auf dem täglichen Weg hier schon mal Notbremsen, um trotz roter Farbe nicht umgefahren zu werden. Farbe schützt einfach nicht, niemals. Ein halbwegs vernünftiger Schutz wäre vorhanden, wenn man diesen Überweg (und alle weiteren) durch steile Rampensteine aufpflastert und den querenden KFZ-Verkehr so zu niedrigen Geschwindigkeiten zwingt.
    Dass hier mal wieder ein Poller in der Mitte des geteilten Geh- und Radweges steht, ist auch nicht optimal, aber aufgrund der Autofahrer-Mentalität leider nicht zu verhindern. Leider allzu typisch für Stuttgart ist diese widersprüchliche Beschilderung: Radweg – oder nur Rad frei? Auf jeden Fall darf das „Fahrrad verboten“-Schild ganz links in Stuttgart nicht fehlen. So lax wie die Stadt mit den Geh- und Radwegen umgeht, so konsequent verbietet sie das Radfahren auch.

    mal wieder gesperrt
    Diese rote Farbe ist der Stadt auch gar nicht so wichtig. Wochenlang war ein weiterer Übergang nicht richtig angemalt. Auch hier, wie an jeder anderen Ein-/Ausfahrt, kennt jede*r Radfahrer*in die Notbrems-Situation. Autofahrer*innen achten hauptsächlich auf den vorbeirauschenden KFZ-Verkehr und schauen nur auf eine auftauchende Lücke. Da bleibt keine Aufmerksamkeit übrig, um zusätzlich noch auf Radfahrende zu achten. Erst recht nicht, wenn sie relativ schnell den Berg runtergefahren kommen. Als Pseudo-Lösung wurden einfach in bester Victim-Blaming-Manier solche „Vorsicht!“-Schilder aufgestellt. Zur Erinnerung: Jede*r Radfahrer*in hat hier Vorfahrt und eigentlich müssten die querenden Autos hier Vorsicht walten lassen!
    Alleine die Existenz solcher Schilder ist schon ein Indiz dafür, dass dieser Radweg in einer Untersuchung von sicheren Kreuzungen und Einmündungen bestimmt nicht als Positiv-Beispiel genannt werden kann.

    perfekt ausgeschildert
    Oft ist es auch so, dass ein Auto auf diesen roten Markierungen steht und den Radverkehr behindert. Entweder hier bei der Waschanlage, bei den diversen Parkplatz-Ausfahrten oder auch bei der Tankstelle im weiteren Verlauf.

    Am Besten ist es aus Sicht der Stadt offenbar einfach, wenn man das Radfahren auf diesem „tendenziell positiven“ Radweg ganz verbietet, Zu-Fuß-gehen auch gleich. Und natürlich wird in dem Fall keine der vielen „wertvollen“ KFZ-Spuren als Umleitung genutzt. Sondern man soll mit dem Rad diese vielspurige Straße überqueren, durch Drängelgitter und mehrere Bettelampeln an den Verkehrsinseln. Und am Ende der Umleitung dann wieder genauso zurück.

    mal wieder gesperrt
    Ignoriert man das Verbot und schaut sich das genauer an, stellt man fest, dass die Radwege in Stuttgart einfach nur Verfügungsmasse für alles mögliche sind. Ernst genommen werden Radfahrende scheinbar nicht. Verfügungsmasse
    Auch hier ist mal wieder ein Gehweg ausgeschildert, Keiner weiß warum, weit und breit ist nichts zu sehen.
    Auch nicht mehr allzu gut zu sehen ist hier die rote Farbe bei der Einfahrt.

    es ist wirklich ein Gehweg
    Das mit dem Gehweg meinen die manchmal echt penetrant ernst. Hier auf der anderen Seite.es ist halt nur ein Gehweg
    Was in Stuttgart natürlich auch nie auf einem Radweg fehlen darf, sind Falschparker, in dem Fall von der SSB.und natürlich auch ein Parkplatz
    Und hier durch einen Autotransporter. Wer schon mal probierte, die Fahrer auf dieses Fehlverhalten anzusprechen oder auch nur einen solchen blockierten Radweg fotografierte, wird die Situation kennen, dass man wüst beschimpft und mit Gewalt bedroht wird. Dabei gäbe es direkt daneben vier breite Fahrspuren.

    blockiert durch Autotransporter
    Was jetzt im Spätsommer vielleicht auch noch nicht so auffällt: Schnee und Eis. Es wird wieder ein Winter kommen und dann sieht man wieder genau, welche Prioritäten die Stadt Stuttgart setzt. Die bis zu elfspurige Bundesstraße ist jederzeit in einem perfekt geräumten Zustand, der Gehweg ebenfalls, wenn auch nicht immer sofort. Nur um Radwege wird sich nicht gekümmert.verschneiter Pragsattel im Winter
    Als kleines Rätsel zwischendurch: Überlegt mal, wie diese Litfaßsäule wohl mit neuen Plakaten versehen wird? Als kleiner Tipp: sie öffnet sich natürlich in Richtung des Radweges.

    So kann man bestimmt jeden einzelnen dieser „tendenziell positiv“ getesteten Radwege genauer analysieren.
    Positiv werden im ADAC-Bericht auch Querungshilfen genannt. Das kann für Anfänger im Straßenverkehr nützlich sein, als erfahrene*r Radfahrer*in will man diese aber nicht zwingend. Zum Beispiel hat man am Charlottenplatz bei einem bestimmten Abbiegevorgang sieben nicht abgestimmte Ampeln zu überqueren. D.h. man steht an sechs solcher Mittelinseln, während der KFZ-Verkehr nur eine einzige Ampel überwinden braucht.

    Aber auch viele andere Straßen in Stuttgart sind kritisch, hier kommt die Kessellage hinzu. An abschüssigen Straßen sind Radfahrer*innen relativ schnell und werden eher übersehen.
    Dazu kommt, dass in eigentlich allen Wohngebieten die Kreuzungen vor allem abends zugeparkt sind und somit die Sichtbeziehungen gestört sind. Hier kann man beispielhaft die Augustenstraße oder die Burgstallstraße nennen.
    Auch Fahrradweichen, wie z.B. am Wilhelmsplatz oder auf der Robert-Koch-Straße in Vaihingen, werden in Fahrrad-Nationen schon längst nicht mehr so geplant und gebaut.

    Das absolute Negativ-Beispiel für Radwege über Ein-/Ausfahrten ist die Hauptradroute an der Holzstraße. Es gibt eine Tiefgaragen-Einfahrt, in der schon mehrere Unfälle passiert sind. Es steht eine Litfaßsäule mitten im Weg und zusätzlich gibt es mit der Dorotheenstraße noch eine querende Straße, die völlig unnötig ist. Sie wird nur vom Parkplatzsuchverkehr und als Schleichweg genutzt, um die Ampel am Charlottenplatz zu vermeiden. Nur wenige Meter auf der Fahrradstraße weiter ist die Kreuzung am Tagblatt-Turm. Prinzipiell ist das nur eine Parkhaus-Einfahrt, sie ist jedoch vorfahrtsberechtigt gegenüber den Radfahrenden auf der Hauptradroute und einzigen Fahrradstraße Stuttgarts.

    Als Fazit kann man sich als Alltagsradler nur darüber wundern, wie der ADAC die Situation in Stuttgart als „tendenziell positiv“ bewerten kann. Stuttgart macht durch seine fehlende und lückenhafte Fahrrad-Infrastruktur und die Mentalität (einiger) Autofahrer*innen vielen Radfahrer*innen Angst. Viele steigen aus dem Grund überhaupt nicht aufs Fahrrad. Diese Rückmeldungen haben wir bekommen, als wir für den Radentscheid bei jeder Gelegenheit Unterschriften gesammelt haben. Wie der ADAC nun ein solches Urteil fällen kann, ist völlig unklar.
    Dass in Stuttgart bisher zum Glück nicht allzu viel passiert und auch wenige schlimme Unfälle vorkommen, liegt definitiv nicht an sicherer Fahrrad-Infrastruktur. Das liegt leider daran, dass nur wenige Leute Rad fahren und diese entweder erfahren sind und/oder einfach sehr viel mehr Rücksicht nehmen, als es eigentlich nötig wäre.